Interview

Copyright: Giacinto Carlucci

Zum fünften Mal vergeben die Evangelische Akademie Bad Boll und ihr Förderkreis den Akademiepreis „Werte leben, Zukunft gestalten“. Im Gespräch mit Akademiedirektor Prof. Dr. Jörg Hübner und Thomas Weise, Vorsitzender des Akademieförderkreises.

Vor dem Schwerpunkt Klimaneutralität wurde der Preis bereits in den Bereichen „Friedensprojekt Europa“, „Ökosoziale Marktwirtschaft in Zeiten der Globalisierung“, „neue Formen des Zusammenlebens und des Wohnens“ sowie „fair produzierte Kleidung“ vergeben. 

Warum haben Sie sich in diesem Jahr für das Thema „Klimaneutralität“ entschieden? Warum erachten Sie dieses als förderungswürdig?

Thomas Weise: Klimaneutralität ist DAS elementare Überlebensthema für die gesamte Menschheit und den ganzen Globus. Wir haben jetzt vielleicht noch eine Chance, das Leben künftiger Generationen zu ermöglichen, wenn wir nun schnell und entschlossen umsteuern.

Jörg Hübner: Die Corona-Pandemie und ihre Bewältigung dürfen diese Herausforderung nicht verdrängen – im Gegenteil: Sie macht deutlich, dass es hier Zusammenhänge gibt. Aber nicht nur wir hier im Westen und in der Industriegesellschaft sind gefragt: Die Fragen globaler Gerechtigkeit und der Lebenschancen aller Menschen auf diesem Globus lassen sich nur so lösen, dass dem Leitbild Klimaneutralität Vorrang eingeräumt wird. Dies wollen wir mit dem Akademiepreis 2021 ins Bewusstsein rufen und vorbildliche Initiative, Personen oder Unternehmen unterstützen.

Sie suchen in Ihrer Ausschreibung nach Bewegungen, Projekten und Initiativen, die sich im Rahmen des Schwerpunktthemas „Nachhaltigkeit und Respekt vor den planetarischen Grenzen“ engagieren. Woran denken Sie hier konkret?   

Thomas Weise: Wir suchen Projekte, Personen, Initiativen aber auch Unternehmen, die bereits konkrete Konzepte entwickelt haben, wie sich Klimaneutralität im eigenen Alltag, im Vereinsleben, in der Kirche oder in der Wirtschaft praktisch umsetzen lassen.

Jörg Hübner: Welche konkreten Wege ist das Unternehmen gegangen? Wo haben sich Widerstände aufgetan und wie konnten bzw. wie sollen sie überwunden werden? Wie ist eine kirchliche Institution vorgegangen, um dem Ziel der Klimaneutralität in ihrer Einrichtung näher zu kommen? Welche Maßnahmen hat sie ergriffen? Wie hat sie mit diesem Ziel Mitarbeitende motivieren können?

Explizit rufen Sie auch Schüler_innen, Studierenden oder Auszubildenden sowie Startup-Unternehmen dazu auf, sich für den Preis zu bewerben. Warum? Welche Potenziale sehen Sie in der jungen Zielgruppe in Bezug auf diesen Schwerpunkt?

Thomas Weise: Angesprochen ist jede und jeder mit guten Ideen und Konzepten, dies ist keine Frage des Alters. Aber wie nicht zuletzt die Fridays-for-Future-Bewegung gezeigt hat, sind junge Menschen hier vielleicht einfach noch sensibler als „wir Alten“. Zudem sind junge Menschen, Initiativen und Unternehmen vielleicht auch einfach noch nicht so in tradierte Strukturen eingebunden und können Probleme und Lösungsansätze ohne die Scheuklappen der Etablierten sehen.

Jörg Hübner: Von jungen Menschen mit ihren Lösungen kann auch ein positiver Druck auf „uns Alte“ ausgehen, endlich aktiv zu werden. Die Transformation unserer Gesellschaft muss kommen, aber dazu müssen alle bewegt werden – und möglicherweise können junge Menschen allen mit unverbrauchter Energie vorangehen.  

Im vergangenen Jahr war der Schwerpunkt Europa, hier war die Ausrichtung themengemäß europaweit und InvestigateEurope wurde ausgezeichnet.
Suchen Sie in diesem Jahr – auch mit der konkreten Ansprache von jüngeren Menschen – nach Projekten eher vor „der eigenen Haustüre“?

Thomas Weise: Nein, wir grenzen das nicht regional ein. Die Klimaveränderungen sind ein globales Problem, warum sollen Lösungen für dieses Problem nur aus einer bestimmten Gegend kommen? Das heißt, wir wählen die Preisträger nicht nach geographischer Herkunft aus, sondern nach Qualität und Innovation. Uns sind alle Bewerbungen willkommen – egal ob aus Bad Boll oder Bangladesch.

Im vergangenen Jahr hat InvestigateEurope gewonnen, 2019 Wasni aus Esslingen. Bestehen noch Verbindungen, Kooperationen zu den Preisträgern?

Jörg Hübner: Wir versuchen, die Kontakte zu allen Preisträgern der letzten Jahre aufrecht zu erhalten. Zum Preisträger des vergangenen Jahres zum Beispiel bestehen aktuell noch immer Kontakte: Wir haben Gespräche geführt, gemeinsame Projekte ausgelotet und ein konkretes Tagungsangebot in unsere Planungen mit aufgenommen.