Politische Theologie in Zeiten der Klimakrise

95 Jahre alt ist Jürgen Moltmann, und noch immer gelingt es ihm, sich öffentlich zu Wort zu melden! Jüngst mit seinem in diesen Tagen frisch gedruckten Buch „Politische Theologie der modernen Welt“. Es handelt sich um eine Sammlung von Vorträgen der letzten Jahre. Corona ist in dieser „Politischen Theologie“ ein Thema, aber auch die digitale Transformation und Yuval Noah Hararis viel diskutiertes Buch „Homo Deus“. Frische Zeilen eines 95-jährigen Theologen, beseelt von der Hoffnung auf eine bessere Welt, die auf uns zukommt.

Ein Thema durchzieht Moltmanns „Politische Theologie“ wie ein roter Faden in fast allen Kapiteln, die, wenn sie auch aus Einzel-Vorträgen bestehen, einen äußerst lesenswerten Zusammenhang bilden: die Klimakrise und deren Bewältigung nämlich. Jürgen Moltmann spricht vom Leben in der „Endzeit“: Der Mensch kann dem Leben auf diesem Planeten ein Ende bereiten, was für ihn noch lange nicht heißt, apokalyptisch zu denken. Die Erde wird weiter existieren, aber wie das Leben der Kreaturen auf dieser Erde dann aussieht, bleibt ungewiss. Deswegen fordert er die christliche Theologie dazu auf, sich mit ihrer Schöpfungslehre neu aufzustellen. Nicht vom „Bewahren“ der Schöpfung solle sie reden, sondern vom Ende her, vom Reich Gottes, von Gottes Neuschöpfung aus denken. Dann wird Gott alles in allem sein, Gott inmitten der Schöpfung einwohnen und die Erde zum Wohnraum aller lebendigen Wesen werden. Von diesem hoffnungsvollen Ende her denkend fordert Jürgen Moltmann die christliche Theologie und die Kirchen dazu auf: eine „ökologische Anthropologie“ zu schaffen, die Heiligung aller Kreaturen zu leben, die „Sympathie aller Dinge“ zu realisieren und die Vorrangstellung des Menschen, der seine Macht gnadenlos in der Schöpfung durchsetzt, fundamental zurückzunehmen. Dann ereignet sich die Vorwegnahme des Reiches Gottes; dem Kommen Jesu Christi auf dieser von Gott geliebten Erde wird der Boden bereitet!

Das alles klingt vom Anliegen her richtig und lässt in diesen wirren Zeiten aufhorchen. Es macht Mut und lässt längst verschüttete Hoffnung keimen. Aber dennoch: Ich würde es mir etwas konkreter wünschen. Was heißt das denn für die Ernährung, für die Mobilität, für die Finanzwelt, für die Gestalt eines zukunftsfähigen Kapitalismus?

Jürgen Moltmann sagt dazu sehr wenig. Leider. Aber vielleicht ist es ja auch die Aufgabe von uns jüngeren Menschen, aber auch von uns als Akademie, sich diesen Fragen zu stellen und nach tragfähigen Antworten zu suchen. Und vielleicht kündigt sich ja schon längst eine neue Zeit an: Das digitale Zusammenarbeiten lässt den überkommenen Allokationsprozess des „Marktes“ aus Angebot und Nachfrage jetzt schon ziemlich alt aussehen. Die jüngsten Leaks zu den Steueroasen rufen die Politik auf den Plan: Vielleicht kommt bald eine globale Mindeststeuer von 15 %.

Es gibt noch sehr viel zu tun, wenn es zu einer „Sympathie aller Dinge“ kommen soll und wenn es um einen zukunftsfähigen Kapitalismus geht. Und darum kommen wir nicht herum: Die Gerechtigkeitslücken werden immer größer, die ökologische Landnahme wird richtig teuer und das Wachstum löst schon lange keine sozialen Probleme mehr. Gerade bezogen auf solche Fragen brauchen wir eine realistische Hoffnungstheologie. Eine Politische Theologie in Zeiten der Klimakrise – über Jürgen Moltmanns Ansatz hinaus.     

Veranstaltungshinweis:

Jürgen Moltmanns Denken gehört zu den großen theologischen Entwürfen des 20. Jhds. Anlässlich seines 95. Geburtstages versammelt die Tagung „Theologie im Gespräch“ vom 22.-24.10. Freund_innen und Weggefährt_innen zu einem Symposium zu seinen Ehren. Beiträge und Grußworte von nah und fern, Gespräche und Workshops zu verschiedenen aktuellen Herausforderungen für Theologie und Gesellschaft münden in einen abschließenden Gottesdienst mit festlichem Empfang. Weitere Infos und Anmeldung unter https://www.ev-akademie-boll.de/tagung/530621.html.

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