KI - verantwortlich gestalten

Kommentar von Dr. Dietmar Merz, Studienleiter Evangelische Akademie Bad Boll

Digitalisierte Medizin und künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen sind keine Utopie mehr. Auch wenn noch offen ist, welche der vielen Ideen letztendlich realisiert werden, drängen sich schon jetzt zahlreiche Fragen auf.

Die größte Sorge gilt zunächst der Sicherheit von Daten, die im Rahmen von KI im Gesundheitswesen anfallen werden:

  • Wer hat Zugang zu diesen Daten, wer verfügt über sie?  Wie steht es um ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung? Ist ein genauer Gesundheitsindex über persönliche Risiken, ist die umfassende Kenntnis der eigenen Körperwerte oder die Kenntnis des eigenen Genoms in Zukunft Voraussetzung für gesundheitliche Dienstleistungen?

Für die einen steckt hinter diesen Fragen die Sorge um den „gläsernen Patienten“. Für die anderen löst die Entwicklung das Versprechen der Medizin ein, nämlich ganz auf den Einzelnen hin ausgerichtet zu sein. „Personalisierte Medizin stellt den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt und nimmt ihn anders wahr: Als souverän und informiert handelnden Menschen, der seine Gesundheit verbessern und Einfluss auf diesen Prozess nehmen möchte… Um den einzelnen Menschen herum werden ganze Gesundheitsnetze entstehen. An deren Knotenpunkten sind sowohl die traditionellen als auch neue Akteure der Gesundheitsbranche beteiligt. Für Ärzte und Apotheker öffnet sich hier die Chance, als Coach das Netz der Kunden zu strukturieren und zu managen“ – so eine Trendstudie zum Paradigmenwechsel in der Gesundheitsbranche. Es drängt sich die Frage auf, ob die beschriebene digitale Vernetzung zu einer weiteren Ökonomisierung des Gesundheitswesens führen wird.  

Die zentral Konfliktlinie ist aber wohl die Ambivalenz zwischen dem zu erwartenden Mehrwert an Sicherheit, Komfort und Effizienz und der Angst vor Verlust an Kontrolle, Entscheidungsfreiheit und Selbstwirksamkeit.

  • Wieviel Vertrauen kann man in Diagnosen haben, die Algorithmen errechnen? Was zählt darüber hinaus an Wissen, Eindrücken und Erfahrungen? Verliert der Arzt den ganzheitlichen Blick auf seine Patienten? Wird die sprechende zu einer sprachlosen Medizin und die subjektorientierte Medizin zu einer objektorientierten?

Nicht zuletzt befürchten Kritiker, dass im KI basierten Gesundheitssystem ein Public-Health-Paternalismus entstehen könnte.

  • Wie stark wird der Zwang sein, sich an digitalen und KI-gestützten Formen des Gesundheitssystems zu beteiligen? Gibt es eine ethische Verpflichtung zur Weitergabe von Gesundheitsdaten für Forschung und Vergleichsgruppen? Wird es eine „Pflicht zum gesunden Leben“ als Voraussetzung für die gesundheitliche Versorgung durch die Solidargemeinschaft geben?

Das Recht auf freie Selbstbestimmung und der unbedingte Schutz des Lebens sind herausragende Ableitungen des Fundamentalrechts der unverletzbaren Menschenwürde. Gesundheitsversorgung ist sozialstaatliche Selbstverpflichtung und Teil öffentlicher Daseinsfürsorge.

Aufgabe des Staates und der Gesundheitspolitik ist es, auf der Grundlage des Grundgesetzes und unter dem Grundsatz der Wahrung der Menschenwürde für den notwendigen Ordnungs- und Leistungsrahmen zu sorgen.

Das gilt auch für den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen.

Kontakt

Dietmar Merz

Dr. Dietmar Merz

Geschäftsführender Direktor / Studienleiter

E-Mail an: Dietmar Merz

Tel.: 07164 79-235

Romona Böld

Romona Böld

Tagungsorganisatorin

E-Mail an: Romona Böld

Tel.: 07164 79-347