„Wir müssen auch Wichtiges bleiben lassen“

Andreas Pflüger, Stuttgarter Zeitung, spricht mit Direktor Joachim L. Beck über die Einsparungsbeschlüsse der Landessynode und die Notwendigkeit zu sparen.

Direktor Joachim L. Beck (Copyright: Regenscheit, Uli)

Die im Jahr 2008 verordneten Sparmaßnahmen sind noch nicht vollständig umgesetzt, da steht der Evangelischen Akademie Bad Boll bereits die nächste Kürzungsrunde durch die Landeskirche bevor. Für Joachim L. Beck, den geschäftsführenden Direktor, steht fest, dass sich dadurch das inhaltliche Profil der Bildungseinrichtung verändern wird.

Herr Beck, haben Sie in den vergangenen Wochen hin und wieder getan, was ein Pfarrer eigentlich nicht tun sollte?
Was - bitte schön - sollte ein Pfarrer Ihrer Meinung nach denn nicht tun? Vielleicht die Hoffnung verlieren? Nein, die Hoffnung verliere ich nicht, die lebt davon, dass wir zur Freiheit berufen sind - und diese will ich weiter leben, mitten und in einer Welt und Kirche, die meiner Ansicht nach an manchen Stellen falsch entscheidet. Aber was haben Sie genau gemeint? Was sollte ein Pfarrer nicht tun?

Na ja, haben Sie vielleicht still und leise vor sich hingeflucht, nachdem die Landessynode beschlossen hatte, den Haushalt der Evangelischen Akademie Bad Boll um weitere 732 000 Euro zu kürzen?
Nein, geflucht habe ich nicht. Aber ich bin voller Sorge um die Kirche. Was tun wir, wenn wir immer weiter kürzen und streichen? Welche Signale geben wir nach innen - in Richtung der Beschäftigten - und welche nach außen? Sich in und für eine Einrichtung zu engagieren, die immer wieder gekürzt wird, macht wenig Freude.

Aber die Sparzwänge gibt es schon?
Ja, ich halte es nur für problematisch, dass die hinter den Kürzungen stehenden Kirchenbilder in erster Linie auf die Kirchengemeinden hin zentriert sind und oft nur diese im Blick haben. Kirche ist aber weit mehr als die Kirchengemeinde vor Ort. Kirche hat einen öffentlichen Auftrag. Kirche hat den Auftrag, "Salz der Erde" und "Licht der Welt" zu sein. Das ist unser Auftrag in Bad Boll. Deshalb beschäftigen wir uns mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen.

Sie haben bereits vor gut zwei Jahren klargestellt, dass bei weiteren Kürzungen die Arbeit der Akademie im gekannten Umfang und in der bewährten Qualität nicht mehr fortgeführt werden kann.
Das ist auch so: wie will man mit deutlich weniger Personal all die Themen aufgreifen, die eigentlich angegangen werden sollten? Bildungsgerechtigkeit, Politikverdrossenheit, Inklusion, Freiwilligendienste nach der Aussetzung der Wehrpflicht, Umweltbelastung, Veränderung des Lebensstils, Qualität vor Quantität . . .  um nur ein paar Schlagworte zu nennen. Kirche wird dann ernst genommen, wenn sie sachgerecht mitreden kann. Expertise muss erworben werden - und das, was von Mitarbeitenden der Akademie erwartet und präsentiert wird, ist mehr als Zeitungswissen.

Als Leiter der Einrichtung müssen Sie jetzt dennoch den Rotstift ansetzen. Wo soll das geschehen?
Wir sind aktuell in einem Prozess der Schwerpunktbildung. Das bedeutet, dass die Studienleitenden gemeinsam schauen, in welchen Bereichen, zu welchen Themen und mit welchen Ko-operationspartnern in Zukunft mittelfristig gearbeitet werden kann und muss. Dieser Prozess, darin sind wir uns einig, muss laufend stattfinden. Derzeit ist aber bereits klar, dass wir auch Wichtiges bleiben lassen müssen. Die genannten Sparsummen sind nicht einfach so zu erbringen.


Im aktuellen Programm ist von Einsparungen aber noch nicht viel zu sehen.
Danke für das Lob an die Mitarbeitenden der Evangelischen Akademie Bad Boll. Die Themenvielfalt haben wir in der Tat noch einigermaßen erhalten können. Der Abbau innerhalb unseres Programms erfolgt sukzessive. So ist die Zahl der Tagungen und der Themen geringer als in den letzten Jahren - auch wenn sich die Kolleginnen und Kollegen wirklich gewaltig ins Zeug legen.

Auf welche Bereiche muss und wird die Evangelische Akademie künftig verzichten?
Wie gesagt: wir sind mitten im Entscheidungsprozess - und dem werde ich nicht vorgreifen. Wir haben uns und werden uns dabei auch vom Kuratorium und vom Konvent der Evangelischen Akademie beraten lassen. Die Klärung erfolgt letztlich auch mit dem Blick auf andere kirchliche Einrichtungen und deren Portfolio.

Reicht diese Schwerpunktbildung aus, um den Sparanforderungen gerecht zu werden? Vor wenigen Jahren stand Ihnen noch fast 40 Prozent mehr Geld zur Verfügung.
Die Landessynode hat mehrheitlich beschlossen, dass für die Arbeit der Evangelischen Akademie zukünftig deutlich weniger Geld zur Verfügung stehen wird. Und mit dieser Realität muss ich leben - auch wenn ich es für falsch halte, die gesellschaftspolitische Arbeit zu reduzieren.

Wird die evangelische Bildungsarbeit in Bad Boll künftig oberflächlicher ausfallen?
Die gesellschaftspolitische Arbeit wird nicht mehr alle Bereiche umfassen können. Ich möchte aber nicht, dass wir oberflächlicher werden. Wir müssen weiterhin fachlich gut aufgestellt sein - eben in weniger Bereichen. Wir müssen weiterhin das Fachwissen haben, um sachgerecht mit Kooperationspartnern Tagungen und Projekte planen zu können.

Sie fürchten also nicht um den guten Ruf, den die Akademie genießt?
Dieser gute Ruf basiert darauf, dass wir fachlich anerkannt und methodisch kompetent sind. Weder das eine noch das andere dürfen wir aufs Spiel setzen. Den Ruf als "Denkwerkstatt der Kirche" und als Ort, an dem kritische Fragen mit Andersdenkenden erörtert werden können, möchte ich auf keinen Fall riskieren.

Wie weit ist Ihr persönlicher Weg vom Akademiedirektor zum Tagungshoteldirektor, den Sie schon vor Jahren vorgezeichnet bekommen haben, inzwischen absolviert?
Nach wie vor habe ich beide Hüte auf: Verantwortlich für die inhaltliche Arbeit und deren Profil und Verantwortung für ein Tagungszentrum und dessen wirtschaftliche Führung. Das sind zwei divergierende Aufgaben, die auch in Spannung zueinander stehen. Weniger Studienleitende können weniger Tagungen machen - also werden im Tagungszentrum Tagungen und Seminare von kirchlichen und nichtkirchlichen Veranstaltern stattfinden. Für beides bin ich zuständig, und mir liegt an dieser Vernetzung. An beiden Stellen soll erkennbar werden, wie Kirche Verantwortung für das Gemeinwohl wahrnimmt: indem sie Impulse im inhaltlichen Bereich setzt - und indem sie das lebt, was sie predigt.

Erwarten Sie weiteres Unheil in Form von Sparrunden seitens der Landeskirche?
Die Umsetzung des aktuellen Sparpakets soll 2016 beendet sein. Danach hätte ich endlich gerne Ruhe.

Das Interview, das Andreas Pflüger führte, ist am 27. Januar 2011 in der Stuttgarter Zeitung erschienen.

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