Einschüchterung, Denunziation und Mord

Die Gewalt gegen zivilgesellschaftliche Akteure in Indien hat stark zugenommen – Tagung sucht nach Lösungsansätzen

Manuela Ott, Rajan Ashish und Beena Pallical (© Claudia Mocek)

Seit der hindu-nationalen Regierung von Narendra Modi hat die Gewalt gegen zivilgesellschaftliche Akteure in Indien zugenommen. Von dieser Beobachtung hat die Partnerorganisation der Dalit Solidarität in Deutschland am vergangenen Freitag (30.09.2016) in der Evangelischen Akademie Bad Boll berichtet. Auf der Tagung „Shrinking space of ciliv society – Geknebelte Zivilgesellschaft“ (30.09-02.10.2016) diskutierten 40 Teilnehmende aus Deutschland und Indien über die Gründe für die zunehmende Unterdrückung der zivilgesellschaftlichen Teilhabe, die von bürokratischen Hindernissen über Einschüchterung und Denunziation bis hin zum Mord reicht. Die Tagung fragte auch nach Wegen, diese Entwicklung zu stoppen sowie nach Unterstützungsmöglichkeiten der Betroffenen aus dem Ausland. 

Ranjan Ashish (Jan Jagaran Shakti Sangathan) und Beena Pallical (National Campaign on Dalit Human Rights) berichteten von ihren Erfahrungen. Ashish ging unter anderem auf das Beispiel Greenpeace ein. Seit 2014 muss sich die Nichtregierungsorganisation (NGO) gegen Repressalien der Regierung wehren: Überweisungen aus dem Ausland an die Organisation wurden blockiert, Konten eingefroren, Greenpeace India wurde die Zulassung als Organisation entzogen. Große Wirtschaftsunternehmen fühlten sich von den Kampagnen der Umweltorganisation bedroht, die rechtskonservative Partei Bharatiya Janata Party (BJP) von Ministerpräsident Narendra Modi regierte prompt. Nur zwei Wochen nach ihrer Amtsübernahme begann sie damit, Greenpeace unter Druck zu setzen. Doch noch ist der Justizsektor in Indien unabhängig und die Entscheidungen, die den Handlungsspielraum der NGO einschränkten, wurden durch Gerichtsurteile wieder aufgehoben. Doch die Regierung lässt sich ständig neue Druckmittel einfallen. So müssen zum Beispiel laut Foreign Contribution Regulation Act NGOs, die Fördergelder aus dem Ausland erhalten, registriert sein – über die Vergabe der Gelder wacht das Innenministerium.

Beena Pallical bewertete den politischen Trend nach rechts als ein globales Phänomen mit dramatischen Folgen. Vor 2014 hätten sich die Dalits, die Nachfahren der indischen Ureinwohner, zumindest noch öffentlich artikulieren können. Doch mittlerweile sei die Redefreiheit so stark beschnitten worden, dass viele Angst hätten, gegen Unrecht zu protestieren. Oppositionelle würden ermordet, Dalits an der Partizipation von höherer Bildung gehindert und Frauen werde die politische Teilhabe weiterhin verwehrt. Der Begriff „antinational“ sei zu einem Schimpfwort geworden, sagt Ashish. Jeder, der sich gegen die Regierung stelle, werde als Antinationaler verfolgt. „Wir sollten uns zusammentun und gemeinsam aktiv werden - Dalits, Adivasi und andere Minderheiten“, schlug Pallical vor. Gemeinsam könnten die verschiedenen Gruppen eine große Solidarität erreichen. 

Die Knebelung der Zivilgesellschaft hat eine Fülle von komplexen Ursachen, die analysiert und verstanden werden müssen und die mit einer weltweiten Struktur zu tun haben. Das neoliberale Wirtschaftssystem verlangt eine zunehmende Ausbeutung von Ressourcen. Diese Ressourcen befinden sich häufig auf den Territorien und Ländereien der Indigenen Gemeinschaften und werden ohne vorherige Konsultation der Bevölkerung ausgebeutet. Die Indigenen Gemeinschaften werden betrogen und von ihren Ländereien und Territorien vertrieben, das hat eine Zunahme der sozialen Konflikte zufolge.

Menschenrechtler und Indigene werden kriminalisiert, da sie für den Staat unbequem werden. Deshalb ist die Beteiligung und Unterstützung der internationalen organisierten Zivilgesellschaft von großer Bedeutung. Die Tagung war eine wichtige Plattform für die Sichtbarmachung und Problemanalyse der geknebelten Zivilgesellschaft. Dies half, um über mögliche Handlungsoptionen zu diskutieren.

Die Tagung fand statt in Kooperation mit EMS – Evangelische Mission in Solidarität, Evangelisch-Lutherisches Missionswerk Leipzig e. V., Dienst für Misssion Ökumene und Entwicklung (DIMOE), Adivasi-Koordination in Deutschland e. V., Diözese Rottenburg-Stuttgart, Dalit Solidarität in Deutschland.

Zum Hintergrund: „Shrinking spaces“

Seit den 1990er Jahren bezeichnet der Begriff „shrinking spaces“ die Einschränkung von Handlungsspielräumen zivilgesellschaftlicher Akteure. Zunächst wurden vor allem Aktivisten in Brasilien, Kolumbien, Indien, Guetemala und Simbabwe eingeschränkt, die gegen Großprojekte im Bergbau, gegen Landraub und Umweltzerstörung protestierten. Mittlerweile gehen viele autoritäre und demokratisch verfasste Staaten auf allen Kontinenten gegen zivilgesellschaftliche Akteure vor, die sich für Frauenrechte, Gender-Gleichheit, Menschenrechte oder für Anti-Korruptionsintiativen einsetzen. Laut einer Studie von CIVICUS (World Alliance for Citizen Participation) wurden allein im Jahr 2014 in mindestens 96 Staaten zivilgesellschaftliche Organisationen in ihren Rechten beschnitten. Es gibt kaum noch politische Bereiche, die in diesen Ländern von der Beschneidung der Handlungsspielräume verschont bleiben. Dabei reicht die Unterdrückung der zivilgesellschaftlichen Teilhabe von bürokratischen Hindernissen über Einschüchterung und Denunziation bis hin zum Mord. 

Mehr zum Thema: 

• Zeitschrift Südasien 3/2016, Zeitschrift des Südasienbüro e. V. zum Thema Shrinking Space

• Amnesty Journal, Unter Druck. Indiens Menschenrechtsverteidiger kämpfen gegen Repressionen.

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