Der Vorwurf des amtierenden Wirtschaftsministers Clement (SPD), jeder zehnte Empfänger von Arbeitslosengeld II verhalte sich "parasitär", ist nach Ansicht des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt in der Württembergischen Landeskirche (KDA) nicht hinnehmbar. Auch den Missbrauchs-Verdacht von Peter Clever, stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, hält der KDA für nicht akzeptabel. Nach einer Telefonkontrolle seiner Agentur hatte Clever von einer "Mitnahmementalität" unter den Leistungsempfängern gesprochen.
"Hier wird auf Kosten der Schwächsten eine Diffamierungskampagne losgetreten, bei der die Menschenwürde missachtet wird", erklärt der württembergische KDA-Vorsitzende Jens Junginger (Reutlingen). Die Vorwürfe gründen seiner Meinung nach auf "vagen Stichproben", die Schuldzuweisungen gegenüber den Arbeitslosen keinesfalls rechtfertigen. Vielmehr verdeutliche die Tatsache, dass sich die Kosten für die Bedarfsgemeinschaften im Rahmen von Hartz IV nahezu verdoppelt haben, wie realitätsfern die Vorausberechnungen waren.
Der KDA-Vorsitzende sieht in den Verdächtigungen einen Hinweis darauf, dass die Politik die Augen für die soziale Realität vieler Menschen verschließt. "Wie sollen Menschen überhaupt noch über die Runden kommen, wenn sie von 345 Euro im Monat leben müssen und nicht einmal einen Zuschuss für die Beschaffung der Schulmaterialien ihrer Kinder bekommen?"
Junginger fordert zur Lösung des Problems der Langzeitarbeitslosigkeit die Einführung eines sozialversicherungspflichtigen öffentlichen Beschäftigungssektors. Schon vor Hartz IV sei es auf dieser Basis etwa mit Diakonie-Projekten gelungen, Arbeitslose im ersten Arbeitsmarkt zu reintegrieren. "Daran", so Junginger, "gilt es anzuknüpfen."
Der KDA ist der Fachdienst der Landeskirche für Fragen der Wirtschaft und Arbeitswelt. Dieser Fachdienst ist der Evangelischen Akademie Bad Boll angegliedert und mit Industrie- und Sozialpfarrämtern in Reutlingen, Stuttgart, Heilbronn und Ulm präsent.