„Wir danken dir, Herr Jesu Christ, dass du gen Himmel g´fahren bist“. So singt die Gemeinde an Himmelfahrt mit dem Lied des Wolfenbütteler Hofkapellmeisters Michael Praetorius aus dem Jahr 1607 (EG 121).
Und ich stimme in diesem Jahr sehr gerne in diesen Dank zur Himmelfahrt ein.
In den Dank, dass der Herr Jesu Christ sich manch unchristlicher irdischen Vereinnahmung durch die Himmelfahrt entzogen hat.
Aktuell denke ich dabei an die neusten Äußerungen des Patriarchen von Moskau, in denen die aggressive Politik des Kremls und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt und theologisch legitimiert werden.
So verabschiedete das 25. Weltkonzil des russischen Volkes unter der Leitung seiner „Heiligkeit“ Patriarch Kyrill am 27. März dieses Jahres eine Grundsatzerklärung, den „Nakas“ (Gebot, Anweisung) zur „Gegenwart und Zukunft der russischen Welt“, in dem der Krieg gegen die Ukraine zum „Heiligen Krieg“ erklärt wird (1).
Ein Krieg also, der im Namen Gottes zu führen sei – gegen „das verbrecherische Regime in Kiew“ und gegen den dem Satanismus verfallenen Westen, für den gottgewollten Sieg der Ukraine. Den Sieg der russischen Welt gegen den von Gott abgefallenen liberalen Westen, so die Lesart des Konfliktes in der Russisch-Orthodoxen Kirche seit dem 24. Februar 2022.
Genau gegen solch eine Vereinnahmung Gottes für irdische Zwecke zur Legitimation eines mörderischen Krieges steht das Fest der Himmelfahrt Christi.
Denn in der Himmelfahrt entzieht sich der Auferstandene, entzieht sich Gott der Verfügbarkeit für mehr als fragwürdige Ziele und Zwecke.
Himmelfahrt steht für die Unverfügbarkeit Gottes. Er lässt sich nicht zum Werkzeug machen für menschliche Unternehmungen.
Wohl ist Gott Mensch geworden, hat sich in Jesus aus freien Stücken „verfügbar“ gemacht. Die Evangelien erzählen davon, deuten es zumindest an, wie immer wieder versucht wurde, über ihn zu verfügen: wenn seine Mutter ihn an die Familienpflichten erinnern möchte, wenn seine Anhänger*innen ihn unter Druck setzen und Wunder einfordern. Und die Passionsgeschichte berichtet dann schließlich davon, wie er sich im Tod am Kreuz so ganz und gar den Verfügungen der Staatsmacht ausgesetzt hat.
All diesen Verfügungen, ja sogar der stärksten Verfügung, dem Tod, hat er an Ostern jedoch die Macht genommen. Das unterstreicht das Himmelfahrtsfest noch einmal in aller Deutlichkeit.
Der Auferstandene ist nicht mehr als verfügbarer Mensch unter uns. Er ist Gott im Himmel.
Und entzieht sich jedem „Gott mit uns“ und „nur mit uns“.
Er entzieht sich derart haarsträubenden Inanspruchnahmen für kriegerische Überfälle, irdischen Größenwahn, imperialistische und nationalistische Ziele und mörderischen Machmissbrauch.
„Wir danken dir, Herr Jesus Christ“, dass du dich nicht einspannen lässt für Krieg und Unterdrückung! Das feiern wir an Himmelfahrt.
Ein Fest also. Auch wenn es ein Abschied war, der den Jünger*innen nicht leichtgefallen ist.
Ein Fest, auch wenn es uns oft schmerzt, dass Gott so weit weg zu sein scheint von all unseren irdischen Krisen, Konflikten, Sorgen und Nöten. Dass er im Himmel ist, vermeintlich unbekümmert von allem „irdischen Getümmel“.
Dass dem nicht so ist, davon erzählt jedoch die dritte Strophe des Himmelfahrtliedes, wenn Praetorius dichtet: „Gen Himmel aufgefahren hoch, ist er doch allzeit bei uns noch“.
Das Lied erinnert also auch schon an das Pfingstfest, erinnert daran, dass Gottes Geist in dieser Welt ist. Unverfügbar und doch mitten unter uns. Er weht, wo er will. Und ist doch dort zu erkennen, wo Gottes Schalom zu ahnen ist, dort wo Frieden und Gerechtigkeit sich küssen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen am Himmelfahrtstag wie an den beiden Pfingsttagen nicht nur viel Sonnenschein, sondern auch: frohe und mutmachende, gesegnete Feiertage.
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(1)Der englische Text des Nakas sowie eine kritische Stellungnahme des Ökumenischen Rates der Kirchen finden sich auf der Homepage des ÖRK.