Kirche muss nicht im Abseits bleiben!

Ein Blogbeitrag von Akademiedirektor Prof. Dr. Jörg Hübner

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Der gesellschaftliche Zusammenhalt hierzulande, aber auch weltweit, steht aktuell auf dem Spiel. Durch immer größer werdende soziale Unterschiede verstärkt sich diese Entwicklung. Viele machen sich zurecht Sorgen: Wie gelingt es, die sehr unterschiedlichen Meinungen, die gerade in diesen Krisenzeiten so sehr aufeinander prallen, zusammenzuführen? 

Im Rahmen der ARD-Themenwoche „Wir gesucht – was hält uns zusammen?“ wollte der Sender wissen, welche Einrichtungen nach Ansicht der Befragten einen angemessenen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leistet. Auf Platz 1 stehen mit 76 % die Sportvereine, Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Platz 3 nehmen die Gewerkschaften mit 49 % ein. Die Kirchen landen nach der Politik und den Parteien auf dem letzten Platz mit gerade einmal 27 % (ARD-Themenwoche: Zusammenhalt vor allem im Privaten | tagesschau.de)

Das ist das für mich ernüchternde Ergebnis der Umfrage des Senders: Nur noch ein Viertel der Befragten traut den Kirchen zu, einen sinnvollen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leisten. 

Geahnt hatte ich es schon, denn der Vertrauensverlust, den die Kirchen im Moment erleben, ist drastisch. Kirche wird (leider!) durchgehend mit den Alten und den Schwachen assoziiert. Eben mit denen, die das krasse Gegenteil von dem sind, was zur modernen Lebensweise gehört: Erlebnisorientierung, Status, Persönlichkeitsentwicklung, Selbstverwirklichung, Wandel, Veränderungsbereitschaft. Und so schwächelt die Kulturprägung des Christentums aktuell. 

Und deswegen ist es nicht verwunderlich, dass den Kirchen wenig zugetraut wird, wenn es um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft geht. Ich vermute, dass die Befragten beim Stichwort „Kirche“ sofort an Gottesdienst dachten. Dieser wird, so zeigen ja auch andere Umfragen, als wenig attraktiv erlebt – jedenfalls nicht als ein Ort, an dem der Zusammenhalt der Gesellschaft gelebt wird. Das sollte uns aufrütteln. Es scheint offensichtlich zu sein, dass sich moderne Grundorientierung zwischen Autonomie, Pluralisierung, Selbstverwirklichung und Netzwerken in den meisten unserer Gottesdienste trotz aller Mühen kaum findet. Stattdessen, so der Eindruck vieler Menschen, geht es tendenziell eher um das Festhalten an Traditionen, um die Eingliederung in das bestehende System oder um das Festhalten an Glaubenswahrheiten. Dabei haben wir es doch mit der Kommunikation des Evangeliums von Jesus Christus zu tun. Und damit geht es um das Weltverständnis einer guten Schöpfung, um die Gewissheit eines wohlwollenden Gottes, um die Hoffnung auf Gnade und das Wissen darum, dass wir im Reich Gottes leben können. Schon jetzt. Genau das sollte uns nicht mutlos machen, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu ringen und dazu das Nötige zu tun. Wissen um das Reich Gottes auf der einen Seite und Zusammenhalt der Gesellschaft auf der anderen Seite: Beides gehört für mich zusammen. 

Auch das macht Hoffnung: Auf Platz 2 der Umfrage liegen die Schulen und Bildungseinrichtungen. Auch davon haben wir in den Kirchen einiges zu bieten. Dazu gehören auch wir mit unserer Akademie. Vielleicht gehören wir mit unserer Werteorientierung im weitesten Sinne auch zu den Erstplatzierten. Als Evangelische Akademie prägen wir die Kultur in unserem Land mit. Demokratie braucht nämlich gerade heute Orte, an denen offen, angstfrei und respektvoll miteinander diskutiert wird. Demokratie braucht Orte, an denen Menschen das Gefühl bekommen, dass sie Gesellschaft zukunftsfähig mitgestalten können und ihnen dazu Mut gemacht wird. Demokratie braucht Orte, an denen mit Sachverstand und Wissen die Fragen unserer Zeit angegangen werden. Respektvoller Dialog, Mut machende Impulse und Sachverstand – diese drei Zutaten sind das Grundrezept für einen wachsenden Zusammenhalt der Gesellschaft. Wir wollen als Akademie solch ein Ort inmitten der Gesellschaft sein – auch als ein Teil von Kirche. Und damit leben wir das Wissen darum, dass wir im Reich Gottes leben können. Schon jetzt.

Wie sehen Sie dies? Was brauchen wir, um einen stärkeren Zusammenhalt der Gesellschaft zu leben? Was können wir als Akademie dazu noch beitragen? Wo sehen Sie uns? Ich freue mich auf Ihren Impuls und auf ein Gespräch mit Ihnen. Auch über dieses Medium eines Blog-Beitrags. 

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