Klimaschutz: Ein Gebot der Freiheit!

Ein Kommentar zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts

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Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzpaket der Bundesregierung: Ist es wirklich epochal, historisch, ein Wendepunkt? Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, bezeichnete den richterlichen Beschluss jüngst jedenfalls so. Der Schutz unseres Klimas – die Einhaltung der Paris-Vereinbarung zum Klimaschutz, auch die Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen – ist Verpflichtung! Das alles ist nicht aus der Kategorie „nice to have“. Elementar und sogar einklagbar sind die aus der Agenda 2030 resultierenden Vorgaben. Das ist ein Paukenschlag für alle, die bisher sagten: Klimaschutz ja, aber. Nachhaltigkeit ja, aber nur, wenn sie nicht den wirtschaftlichen Erfolgen widerspricht. Reduktion der Treibhausgase ja, aber nur, wenn davon keine Arbeitsplätze betroffen sind. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hat hier klar Grenzen gezogen.

Aber noch etwas anderes ist epochal und historisch an diesem Beschluss: die Begründung nämlich. Das Gericht verweist auf die elementaren und freiheitlichen Grundrechte der Lebensführung. Grundrechte können, so das Gericht, auch dann vom Gesetzgeber und den verantwortlichen Regierungen verletzt werden, wenn die sich aus den Maßnahmen ergebenden Folgen erst in der Zukunft liegen. Wer die Pariser Klimaziele beachtet und diese „unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030“ verlegt, bürdet den zukünftigen oder den direkt nach uns kommenden Generationen Lasten auf, die ihnen die Wahrnehmung ihrer freiheitlichen Grundrechte erschwert oder sogar unmöglich macht. „Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgaben verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind“, heißt es in der Entscheidung. Notwendig sei, so im typischen Gerichts-Deutsch, die „intertemporale Freiheitssicherung“.

Genau diese Begriffsbildung ist meines Erachtens sensationell und epochal zugleich. Und sie könnte ein wesentlicher Baustein zur Abmilderung der Klimakatastrophe sein, in der wir uns schon längst befinden. Denn es geht um unsere innere Haltung. Wer von sich und seiner Freiheit sagt: Dieses Recht nehme ich mir jetzt. Das ist „meine“ Freiheit, zu tun und zu lassen, was mir jetzt wichtig ist und was für mich geht. Der ist nicht nur für sich, sondern auch für unsere gesamte Gesellschaft auf dem Holzweg. Freiheit ist ein dialogisches Verhältnis. Freiheitsberaubend sind Begrenzungen eben nicht immer und selbstverständlich, wie gerade im Diskurs um eine zukunftsfähige Klimapolitik immer mal wieder behauptet wird. Begrenzungen sichern Freiheit ab – die Freiheit der anderen und vor allem auch der zukünftigen Generationen. „Intertemporale Freiheitssicherung“ also.  

Die Verpflichtung zur Einhaltung der Pariser Klimaziele ist ein Gebot der Freiheit! Ich begrüße die Entscheidung des Gerichts aufs Höchste. Voller Applaus! Noch einmal: sensationell – in der Begründung und in den Konsequenzen. Endlich einmal die richtige Wegweisung. Ich kann es auch in biblischer Perspektive sagen: „Denn ihr seid zur Freiheit berufen. Allein seht zu, dass ihr durch Freiheit nicht dem Fleische Raum gebt, sondern durch die Liebe diene einer dem anderen“, sagt Paulus seiner Gemeinde in Galatien (Gal 5,13). Freiheit, die dem anderen dient, auch den Freiheiten der Menschen, die nach uns kommen. Oder aber nochmals in den Worten des Gerichts: Es kommt auf eine „intertemporale Freiheitssicherung“ an.

Wir in der Akademie freuen uns über dieses historische Urteil. Seit mehreren Jahrzehnten kümmern wir uns um eine nachhaltige Lebensweise und wollen es auch vor Ort leben. Bis 2030 streben wir an, klimaneutral tagen zu können. Denn Klimaschutz und Klimaneutralität ist ein Gebot der Freiheit. Das Urteil des Gerichts ermutigt uns darin, konsequent diesen Weg weiterzugehen. Gegen jeden Widerstand. Gegen jede alltägliche Gewohnheit. Und wir hoffen, dass wir noch mehr Menschen und Kooperationspartner auf diesem Weg der „intertemporalen Freiheitssicherung“ mitnehmen können.

Aktuelle Akademie-Projekte zum Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit:

Auch der diesjähriger Akademiepreis steht im Zeichen der Klimaneutralität: Noch bis 31. Mai 2021 können sich Initiativen, Startups, Vereine, AGs, Personen, die Ideen und Konzepte für mehr Klimaneutralität und Nachhaltigkeit entwickeln, um den Preis bewerben.

Regelmäßig finden Veranstaltungen zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit an der Evangelischen Akademie Bad Boll statt: So am 24. und 25. Juli 2021 die Tagung „Churches for Future – Kirche als Motor für Klimagerechtigkeit!?“. Für diese Tagung werden außerdem Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 26 Jahren gesucht, die als Klimabotschafter_innen aktiv werden möchten. Bewerbungsschluss ist am 31. Mai 2021.

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