Zivilgesellschaftliche Organisationen, Wissenschaftler*innen, kirchliche Akteure und Hilfswerke debattierten auf dem „Runden Tisch Brasilien“ vom 26.-28. Oktober an der Evangelischen Akademie Bad Boll über Klimagerechtigkeit und viele konstatierten zehn Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen: die 30. UN-Klimaverhandlungen in Belém müssen sich weiterentwickeln, sonst werden sie bedeutungslos.
Die in Brasilien zu tausenden angereiste Zivilgesellschaft kann sich in ihren Forderungen auf die Menschenrechte stützen. Die Staaten sind menschenrechtlich dazu verpflichtet, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. So formulierte es der Internationale Gerichtshof (IGH) in seinem am 23. Juli 2025 veröffentlichten Gutachten.(1) Der Klimawandel stelle für alle Staaten eine dringende Gefahr dar. Dürren, Hitzewellen oder steigende Meeresspiegel bedrohten die Rechte auf Leben und Gesundheit. Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im April dieses Jahres im Fall der „Schweizer KlimaSenorinnen“ erstmalig festgestellt, dass die unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen der Schweiz Menschenrechte verletzten. Im Jahr 2021 führte der sogenannte „Klima-Beschluss“ des Bundesverfassungsgerichts dazu, dass die damalige Bundesregierung ihre gesetzlichen Klimaziele nachbessern musste.
Die Entscheidungen und Gutachten nationaler Gerichte stärken die Anliegen von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich zwischen dem 10. und 20. November 2025 anlässlich der Weltklimakonferenz in Belém einfinden. Sie wollen den politischen Druck erhöhen und haben einen zivilgesellschaftlichen Parallelgipfel organisiert. Ihre Erwartungen an die Weltklimakonferenz sind hoch: Verhandeln allein reiche nicht mehr aus. Es brauche Maßnahmen und Regelungen zur Umsetzung, Überwachung und Rechenschaftspflichten, wenn es um das Erreichen der selbstgesetzten Ziele gehe. Besonders im Fokus stehen die Definition und die Finanzierung von Klimaanpassungsmaßnahmen sowie die Einrichtung eines Tropenwald-Fonds zum Schutz tropischer Regenwälder.
10 Jahre nach Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens zweifeln mittlerweile viele, inwieweit die Staaten ihre Selbstverpflichtungen noch ernst nehmen und tatsächlich umsetzen.
Doch der Widerstand gegen diese Haltung wächst – zivilgesellschaftliche Organisationen vernetzen sich weltweit, die Kirchen positionieren sich und viele nationale und internationale Rechtsorgane leiten aus den Menschenrechten staatliche Handlungspflichten ab. Demnach sind die Staaten verpflichtet, die Regeln neu zu formulieren und so eine klare Ausrichtung auf das Ziel der Klimagerechtigkeit zu garantieren.
Die zivilgesellschaftlichen Organisationen wissen die Kirchen an ihrer Seite. Papst Franziskus hat in seiner Enzyklika "Laudato si" die reichen Industrienationen zu einer grundlegenden "ökologischen Umkehr" aufgefordert: globale Umweltzerstörung und Klimawandel müssten gestoppt werden. Im gleichen Jahr wie das Pariser Klimaabkommen 2015 veröffentlicht, rief er in dem Dokument die Weltgemeinschaft dazu auf, den Klimawandel nachhaltig zu bekämpfen. Papst Franziskus forderte die drastische Reduktion des Ausstoßes von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen. Er nannte als konkrete Maßnahmen den Ausstieg aus fossilen Energieträgern und eine schnellstmögliche Umstellung auf erneuerbare Energien.
Die Evangelische und die Katholische Kirche weisen darüber hinaus darauf hin, dass eine nachhaltige Klimapolitik und das konkrete Handeln für mehr Klimagerechtigkeit auch ein Handeln für mehr Frieden bedeuten.
Die neue Friedensdenkschrift der EKD geht auf den Zusammenhang von Umweltzerstörung sowie der ungleichen Verteilung der Folgen der Klimakatastrophe mit nationalen als auch internationalen Konflikten ein. Eine Politik für mehr Klimagerechtigkeit sei integraler Bestandteil von Friedenspolitik.(2)
Die Katholische Kirche verwies im Vorfeld der Klimakonferenz darauf, dass es angesichts der geopolitischen Veränderungen wichtig sei, die weltweite Zusammenarbeit zwischen den Staaten zu fördern und einen Interessenausgleich zu ermöglichen. Klima- und Umweltschutz diene unserer aller Sicherheit.(3)
Viele der Menschen, die sich in Bad Boll getroffen, ausgetauscht und ihre Netzwerke auf der Tagung „Globale Umbrüche, lokale Kämpfe – Neue Allianzen für Klimagerechtigkeit“ gestärkt haben, sind in den Norden Brasiliens zur Weltklimakonferenz gereist. Sie gehören den indigenen Völkern und zivilgesellschaftlichen Organisationen und kirchlichen Hilfswerken an. Sie sind es, die den Staaten Druck machen, immer wieder ihre Rechte einfordern, die Rechtswege in internationalen Instanzen beschreiten und bei den jährlich stattfinden Weltklimakonferenzen Lobbyarbeit betreiben.
Viele sind ungeduldig geworden, denn die Lasten sind zu ungleich verteilt.
Inwieweit Zivilgesellschaft und auch die brasilianische Regierung es schaffen, entsprechende Fonds zum Schutz von Regenwäldern zu verabschieden sowie Maßnahmen zum Waldschutz, zur Energiewende, zur nachhaltigen Landwirtschaft und einer umweltfreundlichen Wassernutzung auf den Weg zu bringen, wird sich zeigen.
Nur eines wissen wir nach der Bad Boller Tagung gewiss:
Die zivilgesellschaftlichen Organisationen gehen geeinter und gestärkter denn je nach Belém und werden ihren Forderungen vor Ort Gehör verschaffen.
Im Rahmen der Tagung „Runder Tisch Brasilien – Neue Allianzen für Klimagerechtigkeit“ an der Evangelischen Akademie Bad Boll traf Eckart von Hirschhausen auf Kardinal Leonardo Ulrich Steiner, Erzbischof von Manaus. In einem bewegenden Gespräch reden sie über die Weltklimakonferenz COP30 in Belém, die Enzyklika Laudato si von Papst Franziskus und die spirituelle Dimension der Klimakrise. Hier gibt es das Gespräch im Podcast.
Zum Tagungsbericht.
Verantwortliche Studienleiterin ist Carola Hausotter. Sie ist für die Themenbereiche „Friedensethik und Transkulturalität“ zuständig. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist neben der staatlichen Entwicklungspolitik die Rolle von Zivilgesellschaft im globalen Kontext.
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(1) Advisory Opinion of 23 July 2025
(2) Friedensdenkschrift 2025 – EKD
