Viele schöne Bilder werden uns in den kommenden Wochen erreichen: Glückliche Menschen, lustige Strandszenen, ungebremste Lebensfreude, Sonne, Wärme und Licht werden die Posts bestimmen, die auf unseren Smartphones landen.
Schlechtes Wetter und schlechte Gefühle, Stress und Streit, Wolken oder Sorgen werden keinen Platz in diesen Sommerbildern haben. Zum Sommer gehört die Leichtigkeit des Seins.
Auch das Bild, das beim Singen des wohl bekanntesten Sommerliedes vor unseren Augen entsteht, scheint ein wahres Idyll zu sein. Ein Paradiesgarten mit fruchtbaren Böden, Farbenfreude und Fülle, Bienenschar, Vögelkonzert und atemberaubender Schönheit der Blumen. „Geh aus, mein Herz, und suche Freud zu dieser schönen Sommerzeit“.
Aber diese Beschreibung allein wäre ein unvollständiges Bild des Gartens, wie Paul Gerhardt ihn kennt und erlebt. Er steht mit beiden Beinen in einem Erdengarten, der auch noch anders mit sich bringt als die Leichtigkeit des Seins: ein Garten, der um Unkraut, Dornen, verwilderte Ecken, Mühen und Schwielen weiß.
Um sich herum und in seinem eigenen Leben gab es viel Leid und Schmerz. Als sein Lied entsteht, sind die Auswirkungen des 30-jährigen Kriegs überall zu spüren. Bittere Armut herrscht auf dem Land. Verwüstete Ländereien und fehlende Arbeitskräfte sorgen für Hunger und Mangel. In dieser Zeit tritt Paul Gerhardt eine Stelle als Pfarrer in einem kleinen Ort im Spreewald an, und er heiratet: Kleine Glücksmomente mitten in harten Zeiten.
Den Dank für die großen und kleinen Gaben, die ihm das Leben schenkt, drückt der Dichter in seinem Sommerlied aus.
Aber er blendet dabei die schweren Seiten seiner Zeit nicht aus. Zu den Gärten, in denen der Lieddichter unser Leben sieht, gehört auch immer wieder der Garten Gethsemane: Der Garten, in dem selbst Jesus der Verzweiflung nahe war. Der Garten, in dem Einsamkeit, Flehen und die Suche nach Trost ihren Platz haben.
Beides nebeneinander stehen zu lassen und auszuhalten, macht für mich die Tiefe des Sommerliedes von Paul Gerhardt aus.
So wie der Garten der Fülle, so hat auch der Garten der Dürre seine Berechtigung und seine Zeit. Das ist wohl die eigentliche Botschaft des Sommerliedes von Paul Gerhardt: auch in den verwinkelten und mitunter dunklen Ecken unseres Lebensgartens in der Hoffnung zu bleiben, dass unter Gottes Himmel auch die Erfahrungen von Gethsemane gut aufgehoben sind.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen schönen, stärkenden und hoffnungsvollen Sommer
Dr. Dietmar Merz ist seit Januar 2025 geschäftsführender Direktor der Evangelischen Akademie Bad Boll. Bereits seit 2014 verantwortete er als Studienleiter im Themenbereich „Kultur, Bildung, Religion“ die Arbeitsschwerpunkte Medizinethik und Gesundheitspolitik.
