Menschenwürde gilt auch in der Fleischindustrie

Aufruf zum Hinschauen und Helfen in der Not von europäischen Wanderarbeitern

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Im Rahmen der EU gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Doch hier gibt es eine Schattenwirtschaft im Niedriglohnsektor. Schlachtbetriebe haben sich in den vergangenen zwei Monaten zu Hotspots für Corona-Infektionen entwickelt. Das aktuelle baden-württembergische Beispiel der Firma Müller Fleisch in Birkenfeld zeigt, dass gleich 300 osteuropäische Wanderarbeiter positiv getestet wurden. Diese Menschen werden von Subunternehmen über Werkverträge in eine weitgehend unwürdige und rechtlose Situation gebracht. Hier gibt es politischen Reformbedarf.

Es kann nicht sein, dass europäische Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter von sogenannten Subunternehmen der Fleischindustrie in meist viel zu kleinen und heruntergekommenen Wohnungen untergebracht werden. Und die darüber hinaus keine gute Hygienesituation und keine vernünftigen Kontaktbeschränkungen ermöglichen. Ungenügende deutsche Sprachkenntnisse und wenig Kenntnisse über ihre Rechte führen Menschen in eine Bedrängnis, die uns alle herausfordert. Hier gilt es kritisch hinzuschauen und solidarisch zu helfen! Bei den unwürdigen Arbeits- und Wohnbedingungen für Werkvertragsbeschäftigte in der deutschen Fleischindustrie darf es keine Haltung der Gleichgültigkeit geben. Es hat sich eine gefährliche Schattenseite in der Sozialen Marktwirtschaft formiert, die dringend reformiert werden muss.

Für den Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) gilt als biblisch-theologisches Kriterium das Gebot der Nächstenliebe, das unser Hinschauen und Helfen verpflichtend macht. Seit vielen Jahren weist die vom KDA Mannheim mitgetragene Beratungsstelle „Faire Mobilität“ auf die unwürdigen Arbeits- und Wohnbedingungen für osteuropäische Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter hin. Die Forderung an die Politik und die Wirtschaft lautet: Der Missbrauch von Werkverträgen durch Fleischbetriebe gehört abgeschafft. Daher stimmt die Äußerung des NRW-Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Karl-Josef Laumann (CDU), der in dieser Skandal-Woche gesagt hat: „Es geht nicht, dass Unternehmen ihr Kerngeschäft an Werkvertragsnehmer auslagern können und dann alle Verantwortung von sich wegschieben.“

Wir fordern als evangelische Stimme in der Arbeitswelt, dass Werkverträge im Kerngeschäft der Fleischindustrie, dem Schlachten und Zerteilen der Schlachttiere, verboten werden müssen. Es braucht eine deutlich verbesserte Entlohnung der Beschäftigten, die von der Politik als systemrelevant eingestuft wurden. Es gibt einen dringenden politischen Reformbedarf, wie übrigens auch bei Pflegehilfstätigkeiten oder bei Erntehelferinnen und Erntehelfern in der Landwirtschaft. Es darf bei Hilfstätigkeiten im Niedriglohnsektor keine Diskriminierung und Ausbeutung von EU-Bürgern geben, Menschenrechte und Menschenwürde müssen bei allen Akteuren der Wirtschaft unbedingt beachtet werden.       

Karl-Ulrich Gscheidle ist Wirtschafts- und Sozialpfarrer beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) in Reutlingen. Der KDA ist ein Fachdienst der Evangelischen Akademie Bad Boll in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.  

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