Das Ende der Landidylle?

Weltweit kämpft die kleinbäuerliche Landwirtschaft ums Überleben

„Meine Oma hatte zwei Kühe im Stall, dazu noch ein paar Schweine, Stallhasen und natürlich Hühner“, erzählt Günter Aichele, einer der rund 30 Teilnehmer der Tagung „Kleinbäuerliche Landwirtschaft - ein ökofaires Zukunftsmodell?“, die vom 6. bis 8. März in der Evangelischen Akademie in Bad Boll stattfand. Diese Hofgröße, die früher noch als kleinbäuerliche Landwirtschaft galt, kann heutzutage höchstens als Liebhaberei bezeichnet werden. 

Fakt ist, dass das marktwirtschaftliche Prinzip „wachse oder weiche“ auch vor der familienbetriebenen Hofidylle nicht halt gemacht hat. 25% der deutschen Höfe mussten in den letzten Jahrzehnten aufgeben. Die durchschnittliche Hofgröße in Baden-Württemberg ist mittlerweile auf 47 Hektar angewachsen. Mit 44 Hektar bewegt sich auch der Göppinger Waldeckhof in dieser Größenordnung. Er gehört zu rund 3.300 Höfen im Ländle, die nach Biorichtlinien wirtschaften. „Wir haben dort seltene Tierrassen wie Wollschweine neben Gänsen, Schafen oder Ziegen gesehen. Zudem gibt es ein Integrationsprojekt für Langzeitarbeitslose, die auf dem Hof geschult werden und im hofeigenen Café arbeiten“, so eine Tagungsteilnehmerin nach dem Hofbesuch. 

„Ich kann doch meine Milchkanne nicht auf den Weltmarkt tragen“

Trotz seiner sozialen Spezialisierung könnte auch der Waldeckhof wie die meisten anderen kleinen Höfe ohne Subventionen nicht überleben. Das ist bedenklich, kommt doch der kleinbäuerlichen Landwirtschaft eine Schlüsselfunktion zu. Denn viele Millionen Kleinbetriebe bauen Mais, Kartoffel oder Quinoa nicht nur schonend an, sondern auch dort, wo sie gebraucht werden. Das belegen internationale Studien. Die Europaabgeordnete und Tagungsreferentin Maria Heubuch macht sich deshalb stark dafür, die weltweite Landwirtschaftspolitik stärker an der kleinbäuerlichen Landwirtschaft auszurichten. „Die europäische Agrarpolitik zielt zu einseitig auf die Produktionsförderung der Agrarindustrie. Das Gros der Bauern sind aber Kleinbauern. Ich kann doch als Milchbäuerin aus dem Allgäu meine Milchkanne nicht auf den Weltmarkt tragen.“

Darlehen für Landwirtschaft in Entwicklungsländern

Noch wesentlich prekärer ist die Lage der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in vielen Ländern des globalen Südens. „Weltweit gesehen bewirtschaften vier Fünftel aller Höfe weniger als zwei Hektar Land“, so Frank Rubio, Leiter des Oikocredit-Landwirtschaftsreferats in Lima. Die Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit vergibt seit 40 Jahren Darlehen an landwirtschaftliche Genossenschaften, Fairhandelsorganisationen und Mikrofinanzinstitutionen in über 60 Entwicklungsländern. Mit inzwischen mehr als 100 Millionen Euro stützen sozial und ökologisch orientierte Anlegerinnen und Anleger aus Baden-Württemberg die Idee. Sie finanzieren Kaffeebauern in Guatemala, Hirse-Produzentinnen im Senegal oder beispielsweise eine Bio-Fischfarm in Sambia. Das schafft Einkommen und sichert die Ernährung von vielen Familien.

Brasilien: Schulverpflegung durch Kleinbauern aus der Region

„Hunger ist heute keine Frage der ausreichenden Produktion von Lebensmitteln mehr, sondern des Zugangs der Armen zu lebensnotwendigen Gütern“, gab Stig Tanzmann vom evangelischen Entwicklungsdienst „Brot für Welt“ kritisch zu bedenken. Als positives Beispiel für staatliche Regulierung nannte Tanzmann Brasilien. Dort seien die Anbieter von Schulverpflegung gesetzlich verpflichtet, mindestens ein Drittel ihrer Lebensmittel bei Bauern in der Region einzukaufen. Das fördere die kleinbäuerliche Landwirtschaft und komme gleichzeitig der Qualität der Schulverpflegung zugute. „Angesichts der miserablen Qualität des Essens in vielen deutschen Schulen wäre das auch ein Vorbild für die deutsche Schulverpflegung.“

Foto/privat: Ist kleinbäuerliche, bio-faire Landwirtschaft ein zukunftsfähiges Modell. Diskussionen mit der Europaabgeordneten Maria Heubach (l.) und Oikocredit-Regionalmanager Frank Rubio aus Peru (r.)

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