Fernsehgarten oder Kleinkunsttempel?

Was »gute Unterhaltung« ist, diskutierten Fachleute aus öffentlich-rechtlichen Sendern, privaten Produktionsfirmen und Leute aus der Kulturszene bei den 5. Bad Boller Medientagen

<p><em>Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, will, dass die öffentlich-rechtlichen Sender mit besseren Unterhaltungssendungen das »virtuelle Lagerfeuer« neu entzünden.</em></p>

Unterhaltung ist ein schillernder Begriff. Wer versucht, sie zu definieren, gerät schnell ins Schwimmen: Denn Unterhaltung, so lautete eine Erkenntnis bei der Tagung "Gute Unterhaltung!" in der Evangelischen Akademie Bad Boll, kennt keine Genregrenzen und auch keine Grenzen des guten Geschmacks. Diese, so sagte Oliver Fuchs, seines Zeichens Produzent so erfolgreicher Unterhaltungsformate wie "Rach der Restauranttester" und "Der große IQ-Test" mit Günther Jauch, seien ebenso fließend wie individuell. Der Versuch, gute Unterhaltung zu definieren, scheint daher von vornherein zum Scheitern verurteilt, weshalb sich Fuchs auf eine Tautologie zurückzog: "Gute Unterhaltung unterhält."
Doch da es sich um eine Akademie-Tagung handelte, gab es natürlich doch den einen oder anderen Versuch zu definieren, was gute Unterhaltung denn sein könnte. Der Medienpsychologe Peter Winterhoff-Spurk (der leider selbst nicht teilnehmen konnte) definierte mediale Unterhaltungsproduktionen dann als gut, "wenn sie vom Zuschauer als neu, anregend und weitgehend normverträglich wahrgenommen werden und wenn sie zugleich keine gesellschaftlich unerwünschten Nebeneffekte auslösen". Wer in diesem Sinne Unterhaltung mache, leiste "einen Beitrag zur Entwicklung von Menschen und ihren sozialen Systemen".
Das forderte bereits den ersten Widerspruch heraus. Denn, so einige Tagungsteilnehmer: Gute Unterhaltung dürfe und müsse auch politisch inkorrekt sein, Tabus brechen. Der Direktor des Grimme-Instituts, Uwe Kammann, zitierte die Beschreibungen, mit denen Kritiker gute Unterhaltung loben: "intelligent", "subtil", "raffiniert", "gegen den Strich gebürstet" etc. Auch Kritiker schätzen manchmal Unterhaltungsproduktionen, die die Grenzen des guten Geschmacks austesten. Doch Kammann machte auch deutlich, wie sehr sich die Vorstellungen von guter Unterhaltung unterscheiden können: "Wo der ,ZDF-Fernsehgarten' blüht, lässt sich kein 3sat-Kleinkunsttempel errichten." Und er erinnerte an Jürgen von der Lippes Credo: "Wer Menschen unterhalten will, muss sie mögen."
Gute Unterhaltung, forderte Oliver Fuchs, müsse eine Haltung haben. Und: Gute Unterhaltung schätze sowohl ihr Publikum als auch ihre Protagonisten. Ähnlich formulierte es Michael Bollinger, der einst bei SWF 3 zu den Erfindern der Radio Comedy gehörte. Er betonte die demokratisierende Funktion des Lachens: Lachen als Befreiung und Enthüllung von Mächtigen sei allemal besser als das zynische mitleidlose Lachen über Menschen, die unverschuldet in Not geraten seien. Bollinger, der sich ein Radiojournalistenleben lang dafür eingesetzt hat, Information unterhaltsam zu vermitteln, machte den erfolgreichen Radioprogrammen von heute den Vorwurf, dass sie ihre Popularität immer weniger nutzten, um zu informieren.
Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Kulturrats, trat leidenschaftlich für mehr und bessere Unterhaltung in den öffentlich-rechtlichen Sendern der ARD und des ZDF ein: Die massenwirksame Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei nur gesichert, wenn es den Sendern gelinge, "das virtuelle Lagerfeuer" neu zu entzünden und ein großes Publikum zu versammeln - und das sei nur mit Unterhaltungssendungen zu schaffen. Er erinnerte daran, dass Unterhaltung ebenso zum Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehöre wie Information und Bildung. Seine Sorge sei, "dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu wenig in Unterhaltung investiert wird". Dadurch verlören ARD und ZDF nicht nur den Kontakt zum Publikum, sondern auch den zu den Produzenten erfolgreicher Unterhaltungssendungen.

Diemut Roether (epd medien)

Die Medientage werden von der Evangelischen Akademie Bad Boll in Zusammenarbeit mit den Kulturradios SWR 2 und SR 2, der Universität des Saarlandes und der Evangelischen Akademie im Saarland organisiert. Gefördert werden sie durch die Bundeszentrale für Politische Bildung.

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