Der Teufel ist nicht säkularisiert worden … 

„Nachruf auf mich selbst“ heißt das jüngste Buch des bekannten Transformationsforschers und Bestseller-Autors Harald Welzer. Er verarbeitet in diesem Buch auf eine sehr persönliche Weise einen Herzinfarkt, den er 2020 knapp überlebte. Und er verbindet mit dieser einschneidenden Erfahrung eine grundsätzliche Betrachtung über unser Leben auf diesem Planeten Erde. Er macht deutlich: Wir müssen endlich mit dem Aufhören beginnen. Aufhören mit dem immer weiterreichenden Wachstum. Aufhören mit diesem verzehrenden Lebensstil. Aufhören, mit der Natur zu verhandeln. Das alles rüttelt auf: Er rechnet vor, dass inzwischen die von den Menschen geschaffene Masse an Waren und Gütern schwerer ist als die Biomasse der Erde. Unglaublich! Das kann so nicht weitergehen, wenn wir nicht den Ast vollkommen absägen wollen, auf dem wir noch einigermaßen behaglich sitzen. 

Auch ein anderer Gedanke aus diesem Buch beschäftigt mich: Die Säkularisierung habe das göttliche Prinzip verweltlicht und mit Kant in die vernunftgeleitete Verantwortungsfähigkeit des Menschen überführt. Dasselbe sei aber in Bezug auf den Teufel, in Bezug auf das Böse unterblieben, so Harald Welzer: „Dieser Gedanke scheint mir spektakulär: Der Teufel ist nicht säkularisiert worden, Gott schon.“ Ausgerechnet der Hoffnungsphilosoph Ernst Bloch habe dies zur Sprache gebracht. Deswegen, so die Schlussfolgerung Harald Welzers, kämpfen wir mit den Katastrophen. Wir wollen sie mit allen Mitteln strategisch überwinden. Sie sind ein mythischer Ausdruck des Bösen. Aber wir ändern nichts an unserer Lebensweise. Wir akzeptieren nicht, dass wir einen Fehler gemacht haben. Deswegen hören wir auch nicht auf. Dabei geht es darum, hier verantwortlich zu leben, Fehler zu überwinden und eine neue Richtung einzuschlagen. Soweit Harald Welzer. 

Aber: Haben wir mit unseren christlichen Überzeugungen wirklich keinen Beitrag dazu geleistet, dass der Teufel säkularisiert wurde? 

Hier stellen sich kritische Fragen. Gewiss ist ein fast hypnotisierter Blick auf die Sünde ein theologisches Problem. Aber haben nicht gerade Theologen wie Christoph Blumhardt, Paul Tillich oder Karl Barth dazu beigetragen, das Böse als das „Nichtige“ zu bezeichnen? Also als das Nichts, das Nicht-Existente, das Nicht-Mächtige im Angesicht Gottes? Ist das nicht eine Säkularisierung des Teufels und des Bösen in der Welt? Und wenn Paulus verkündet, dass wir alle vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden müssen, dann meint er, dass wir vor dem wiederkommenden Herrn Jesus Christus aufgerichtet werden. Das Gute wird gewürdigt, das Böse wird seine Macht verlieren. Denn eine Hölle, einen Teufel, ein Gericht nach den Werken kennt Paulus nicht. Und die meisten Zeugen der Bibel auch nicht. Vor dem widerkommenden Christus ist das Böse nichtig geworden, säkularisiert, entmachtet. Endgültig. 

Das könnte uns antreiben, neue Wege inmitten krisenhafter Entwicklung einzuschlagen. Eine Transformation, eine Umkehr, ein neues Denken und Handeln, eine andere Haltung sind möglich. Und damit auch eine bessere Welt. Schon jetzt und nicht erst am „Ende der Geschichte“. Müssen wir nicht diese Überzeugung wieder stärker ins Gespräch bringen? 
 

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