Politische Bildung von Kürzungen bedroht

Akademie äußert Unverständnis und warnt vor massiven Einschränkungen für die Tagungsarbeit

Bad Boll, 31.08.2023 – Die Bundesregierung plant in ihrem Haushalt ab 2024 drastische Einsparungen im Bereich der Bildungs- und Demokratiearbeit. Dies hätte gleich in mehrfacher Hinsicht negative Auswirkungen für die Tätigkeit der Evangelischen Akademie Bad Boll.

Seit ihrer Gründung 1945, kurz nach Ende des nationalsozialistischen Regimes, engagiert sich die Evangelische Akademie Bad Boll auf vielfältige Weise für die Förderung und den Erhalt der Demokratie. Entsprechend groß ist das Unverständnis über die im Haushaltsentwurf 2024 der Bundesregierung vorgesehenen massiven Einsparungen in der politischen Bildung. 

„Unsere demokratische Gesellschaft sieht sich aktuell mit vielfachen Herausforderungen konfrontiert“, sagt Monika Appmann, die kommissarische Direktorin der Evangelischen Akademie Bad Boll. „Angesichts besorgniserregender Demokratiegefährdungen wie dem zunehmenden Populismus und Extremismus sowie offen geäußertem Hass – vor allem im digitalen Raum – sind die Kürzungspläne aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar und eine gravierende Einschränkung unserer Akademiearbeit.“  

Durch Bundesmittel gefördert und jetzt bedroht 

Von den durchschnittlich jährlich 110 Veranstaltungen an der Akademie werden bis zu 22 Veranstaltungen durch die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) gefördert. „Sollten diese geplanten Kürzungen um rund 20 Mio. Euro (ca. 20 Prozent) tatsächlich umgesetzt werden, gepaart mit den aus geringeren Kirchensteuererträgen resultieren Sparmaßnahmen der Landeskirche, bedeutet dies einen gravierenden Einschnitt in der qualifizierten Umsetzung unserer Tagungsarbeit“, wird Monika Appmann bezüglich der möglichen Folgen konkret. 

Im akademieeigenen Fachdienst „Jugend · Bildung · Politik“ arbeiten zwei Studienleiterinnen auf Netzwerkstellen, die durch den Kinder- und Jugendplan (KJP) des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) finanziert werden. Ihr Schwerpunkt ist die politische Jugendbildung. Werden die Fördermittel für 2024 im KJP wie geplant um knapp 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gekürzt (2023: 239 Mio. Euro, 2024: 194 Mio. Euro), droht an der Akademie in Bad Boll der Abbau von Angeboten in der politischen Kinder- und Jugendbildungsarbeit. 

Tanja Urban ist seit 2017 Studienleiterin für gesellschaftspolitische Jugendbildung an der Evangelischen Akademie Bad Boll und wäre in ihrer Arbeit durch die Maßnahmen direkt betroffen: „Ich halte politische Bildung für ein demokratisches Zusammenleben für unerlässlich. Mit unserer Arbeit tragen wir dazu bei, die Demokratiefähigkeit von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Dass diese Arbeit gerade zum jetzigen Zeitpunkt beschnitten werden soll, ist ein harter Schlag für alle, die mit Kindern und Jugendlichen die Basis für eine gute Zukunft schaffen wollen.“

Die geplanten Kürzungen stehen im Gegensatz zu den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags, der für 2024 eine „bedarfsgerechte Ausstattung“ des KJP und demzufolge eine Erhöhung um 70 Mio. Euro vorsieht.

Ebenfalls gegenteilig zu dem im Koalitionsvertrag genannten Vorhaben, die Schnittstelle außerschulischer und schulischer Bildung zu stärken, ist die nun ersatzlose Abwicklung des Programmes „Jugend Migrationsdienste (JMD). Respekt Coaches“. Seit 01.07.2022 ist Maren Janetzko als Projektkoordinatorin der regionalen Fachstelle des Projektes „Alles Glaubenssache. Prävention und politische Bildung in einer Gesellschaft der Diversität“ an der Evangelischen Akademie Bad Boll tätig. Das Projekt findet in engem Zusammenhang mit dem Bundesprogramm „Respekt Coaches“ statt. „Gerade in Zeiten von Ganztagesschulen und weiteren Betreuungsangeboten ist es unabdingbar, mit politischer Bildung direkt an Schulen zu gehen. Damit erreichen wir alle Gruppen von jungen Menschen mit vielfältigsten Themen und setzten nicht erst an, wenn diese bereits negativ auffallen. Mit dem Wegfall von „Respekt Coaches“ und unserer Arbeit direkt an Schulen würde deshalb ein wichtiger Pfeiler zur Stärkung junger Menschen und unserer Gesellschaft verloren gehen. Und das gerade in Zeiten, in denen die Relevanz dafür deutlicher wird, denn je“, erläutert Projektkoordinatorin Maren Janetzko die Notwendigkeit dieser Programme. 

Sollten die Kürzungen beschlossen werden, muss die Akademie die regionale Fachstelle zum 31.12.2023 schließen. Gleiches gilt für die entsprechenden Fachstellen der Evangelischen Akademien in Frankfurt, Sachsen-Anhalt und Tutzing.

„Wir benötigen eine starke demokratische Zivilgesellschaft, die zusammensteht, online und offline. Diese Zivilgesellschaft braucht Bildung, Argumente und Unterstützung – keine Streichung von Präventionsarbeit und Demokratieförderung. Nichts weniger als die Zukunft unserer wehrhaften Demokratie steht auf dem Spiel“, so Monika Appmann. In der kommenden Woche findet im Bundestag die erste Lesung des Haushaltsgesetzentwurfs für 2024 statt – noch sei Zeit, für eine Kursänderung im Sinne der Demokratie. 


Über das Projekt „Alles Glaubenssache“

Durch die Beendigung des Projektes „Alles Glaubenssache“ entfallen Angebote zu Themen wie dem Zusammenleben der Religionen, Diversität, Rassismus und Antisemitismus. Bislang werden vor allem Zielgruppen der Schulsozialarbeit erreicht, die sonst kaum an Angeboten politischer Jugendbildung teilnehmen würden. Das Programm stärkt darüber hinaus auch strukturell die Zusammenarbeit zwischen der politischen Jugendbildung und der Jugendsozialarbeit an den Schulen. In den vergangenen Jahren wurden stabile Arbeitsbeziehungen etabliert, Bildungsmaterialien für den Einsatz in Schulen entwickelt und zahlreiche Kooperationsprojekte umgesetzt. Ebensolche verbindlichen Kooperationen wollte die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag 2021-2025 eigentlich ausbauen – nun droht ihnen das Aus. 

Die Leiterin der Fachstelle, Maren Janetzko, zeigt im Interview auf, was sie mit ihrer Arbeit bisher erreicht hat und welche Folgen die Schließung der Fachstelle für junge Menschen haben wird. 
 
Veranstaltungshinweis: „Werteorientiert?! Politische Bildung in krisenbelasteten Zeiten“
04.10. - 05.10.2023, Präsenzveranstaltung, Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Tagungszentrum Stuttgart-Hohenheim
Diese Kooperationstagung verschiedener Einrichtungen in der politischen Bildung stellt sich der Frage, welche Werte unserem gesellschaftlichen Zusammenleben, dem politischen Handeln und der politischen Bildungsarbeit zugrunde liegen. 
Eine Kooperationstagung von Evangelische Akademie Bad Boll, Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, LpB BW, Stiftung Weltethos, Muslimische Akademie Heidelberg und VHS Verband BW.
 

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