Jenseits von Eden: Herrschaft statt Bewahrung?

Zur aktuelle Debatte um einen zeitgemäßen Begriff der Schöpfung

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Theologische Debatten und Diskurse haben es heute schwer, die Öffentlichkeit zu erreichen. Die Säkularisierung hat weite Teile des alltäglichen Lebens durchdrungen. In Deutschland gehören mittlerweile weniger als die Hälfte aller Bundesbürgerinnen und -bürger den christlichen Kirchen an. Dies mag man bedauern, und über Gründe kann man lange diskutieren. Alternative Wege, auf Bürgerinnen und Bürger zuzugehen, sind jedoch dringend zu suchen. Strukturfragen stehen an; Kirchengemeinden werden sich verändern. Das ist nötig. Gewiss. Aber ich bin auch davon überzeugt: Genauso dürfen wir bei allen Kirchenreformdebatten den Inhalt unserer Botschaft nicht aus den Augen verlieren. Ich möchte es einmal so sagen: Theologische Debatten sollen auch heute noch inspirieren – und sinnvoll sein.

Zu solch einer aktuellen Debatte ist es in der theologischen Zunft um einen zeitgemäßen Begriff der Schöpfung gekommen. Der Bochumer Theologe Günter Thomas hat sie Weihnachten 2021 mit einem provokanten Beitrag im evangelischen Magazin „Zeitzeichen“ angestoßen:

Er nimmt das kirchliche Leitbild der „Bewahrung der Schöpfung“ aufs Korn. Seine Argumentation lautet – stark zusammengefasst – so: Wir haben uns in unseren Kirchen und in unserer Theologie zu lange auf einen Begriff einer Ethik der Bewahrung konzentriert, wenn es um Schöpfungsverantwortung geht. Damit hätten wir Schuld daran, dass die Natur romantisierend verklärt und objektiviert wurde. „Die Forderung der Blühwiesen wird zum Anliegen der Kirche“, schreibt er sehr kritisch. Corona und die erfolgreiche Entwicklung eines Impfstoffs würden uns dagegen endlich zeigen: Wir müssen uns von der irrigen Theologie verabschieden, nach der sich die Schöpfung ohne jede Intervention des Menschen im Frieden befinden würde. An die Stelle des Leitbildes der „Bewahrung der Schöpfung“ stellt er den Begriff der „unvermeidlichen Herrschaft“ über die Natur. Diese Herrschaft sei selbstverständlich riskant, da sie gewaltaffin ist. Aber eine Alternative dazu gebe es jenseits des Paradieses nicht.

Ich frage mich: Ist das Leitbild der Herrschaft über die Natur wirklich zielführend? Steht Herrschaft nicht für ein Weiter-so, möglicherweise sogar für ein Noch-mehr-so? Erreicht dieses Leitbild noch unsere unter Druck stehende und aufs Ärgste bedrohte Lebenswirklichkeit? Ermöglicht oder verhindert es nicht vielmehr das Denken in Alternativen?

Jedenfalls hat Günter Thomas eine hitzige Debatte unter Theologinnen und Theologen entfacht. Denn: Das Leitbild „Bewahrung der Schöpfung“ ist zu schärfen. Zu Recht. In Zeiten von Corona und Klimakrise. In einem Beitrag wird an die Stelle der Bewahrung der Schöpfung das Leitbild der „Bewohnbarkeit des Erdmantels als Aufgabe“ gesetzt. Bewohnbarkeit des Erdmantels statt Bewahrung der Schöpfung. Hört sich noch sehr holprig an. Aber ja, vielleicht passt von der Sache her dieser alternative Begriff. In Zeiten der vielfältigen Zielkonflikte. In Wendezeiten. In Zeiten, in denen wir auf dem Weg sind, unsere Lebensweise auf den Prüfstand zu stellen. 

Was denken Sie über die christliche Rede von der „Bewahrung der Schöpfung“? Hilft sie Ihnen noch, oder stoßen Sie sich an ihr? Was erwarten Sie von der Theologie in den aktuellen Krisenzeiten?    

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