„Tut um Gottes Willen etwas Tapferes“

Die Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentags, Prof. Dr. Christina Aus der Au, gibt beim Neujahrsempfang Impulse aus der Reformation für eine Welt von morgen.

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„Tut um Gottes Willen etwas Tapferes.“ In ihrer Festrede zum heutigen Neujahrsempfang (08.01.2017) hat die Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentags, Prof. Dr. Christina Aus der Au, Impulse aus der Reformation für eine Welt von morgen gegeben. Sie forderte die rund 130 Gäste in der Evangelischen Akademie Bad Boll dazu auf, das Tapfere im reformatorischen, politischen Geiste Zwinglis zu verstehen. Dies bedeute, „den Begriff des Christlichen gerade auch für die weltlichen Verhältnisse in Anspruch zu nehmen“.

Aus der Au betonte: „Wenn wir nicht nur der lutherischen Reformation gedenken, sondern auch das reformierte Erbe ernst nehmen, dann geht es beim Christlichen nicht nur um die persönlich-private Existenz, sondern auch um die gesellschaftspolitischen und sozialen Verhältnissen.“ Dabei sei die Verantwortung von Christen vor Gott nicht auf den Bereich religiöser Innerlichkeit beschränkt, sondern erstrecke sich auf den gesamten weltlichen Bereich. „Kirche soll in der Welt sichtbar werden und Christsein schließt verantwortliches Handeln in allen Weltverhältnissen unbedingt mit ein.“

Ein Vergleich der Selbstpositionierung der Kirchen in der Schweiz und in Deutschland zeige, dass die reformierten Kirchenleitungen kaum politische Einflussmöglichkeiten haben, während die evangelische und die katholische Kirche in Deutschland „breite und intensive, beinahe lobbyartige Kontaktflächen zu den öffentlichen Gestaltungsinstanzen aufweisen“.

Für beide Seiten gelte: „Was das gute Leben ausmacht, ist inmitten der postmodernen Lebensverhältnisse keineswegs mehr allgemein klar. Lebensmöglichkeiten sind nicht mehr vorgegeben, sondern werden ergriffen, und damit gewissermaßen immer wieder neu erschaffen“, sagte die Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentags: „Eindeutige Orientierungen werden deshalb schwieriger.“ Eine Ethik, die sich am Willen Gottes orientieren will, müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, rückständig zu sein. „So ist also gerade nicht gemeint, dass Staat und Gesellschaft, Wirtschaft oder Wissenschaft an bestimmten biblischen Texten unmittelbar – also ‚Eins zu Eins‘ gemessen werden könnten“, erklärte Aus der Au. Dies würde zu einer allzu einfach gestrickten Zivilisationskritik führen. „Checklisten-Lösungen anhand einzelner Bibelstellen vorzuschlagen, sind jedenfalls per se noch kein verantwortliches Handeln.“

Es wäre aber nicht der schlechteste Anfang, so Aus der Au, sich konsequent von den eigenen Bedürfnissen weg und hin auf den Nächsten und seine Lebenssituation auszurichten. „Sensibel und achtsam für die Not der Schwachen zu werden sowie mutig und erfinderisch etwa nach besseren, möglichst gewaltfreien Lösungen zu suchen, kann durchaus viel von der Freiheit des Glaubens widerspiegeln.“

Die Diskussion dieser grundlegenden Frage müsse in den Gemeinden stattfinden, betonte Aus der Au, ohne Angst davor, dass die Einheit der Kirche oder des Glaubens verloren gehen könnte. „Auf Gemeindeebene“, forderte die Kirchentagspräsidentin, „muss eingeübt werden können, wie man sich auf dem Hintergrund der individuellen Gewissensprüfung mit den jeweiligen aktuellen Fragen möglichst reflektiert und konstruktiv auseinandersetzen kann.“

Denn die Gemeinde werde erst dann ihrer Weltverantwortung gerecht, „wenn individuelle, wachsame Mahnerinnen und Mahner dazu bereit sind, ihre eigenen Überzeugungen dem freien Gespräch und der argumentativen Auseinandersetzung auszusetzen“. Die theologisch begründete Haltung mache die differenzierte, abwägende Haltung umso notwendiger. „Insofern wird mit der Signatur der Öffentlichen Theologie auch das Startsignal aufgestellt, kirchliche wie politische Hierarchien immer wieder neu demokratisch zu durchwirken, zu prüfen und gegebenenfalls auch zu verändern.“

Wenn Menschen die Themen, die die Kirche unbedingt angehen sollen, mutig auf die Tagesordnung setzen und energisch bearbeiten, „dann ist dies vielleicht die überzeugendste Form, wie protestantische Kirche prophetisch und zugleich demokratisch sein kann“, sagte Aus der Aus: „Dann tun sie tatsächlich um Gottes Willen etwas Tapferes – in einer etwas anderen Form zwar als damals Zwingli in seinem Brief an die Zürcher, aber nichtsdestotrotz in seinem Sinne.“

Im Anschluss an die Festrede gaben die Direktoren der Akademie, Prof. Dr. Jörg Hübner und Dr. Günter Renz, einen Überblick über die inhaltlichen Akzente des Akademieprogramms 2017 mit Tagungen zu Luthers Blick auf den Islam, zu Konflikten in der Flüchtlingsbegleitung, zum demografischen Wandel und zum  Rechtspopulismus in Europa. Musikalisch begleitet wurde der Empfang vom Martin Schrack Trio.

  • Festtagsrede von Prof. Dr. Christina Aus der Au, Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentags

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