Kirche und Klimaschutz

Ein Bericht zur Veranstaltung „Churches for Future“

Gesprächsrunde während der Tagung mit v.l. Astrid Hake (Ökumenisches Netzwerk Klimagerechtigkeit), Dr. Ruth Gütter (Oberkirchenrätin, Referentin für Fragen der Nachhaltigkeit der EKD), Romeo Edel (Wirtschafts- und Sozialpfarrer Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt, Moderation), Sebastian Hinderer (Doktorand, EJW-Weltdienst), Prof. Dr. Ulrich Heckel (Oberkirchenrat, Leitung Dezernat 1, Erster Vorsitzender des Umweltrates der Evangelischen Landeskirche in Württemberg)

Bad Boll, 29.07.2021 – Am vergangenen Wochenende drehte sich an der Evangelischen Akademie Bad Boll alles um das Thema Klimagerechtigkeit und welche Rolle Kirchen hier einnehmen können.

„Machen wir uns nichts vor. Den Klimawandel zum Wohle aller zu meistern, ist eine riesige Kraftanstrengung. (…) Hier können gerade auch die Kirchen als Gemeinschaften eine große gesellschaftliche Kraft entfalten“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann in seiner Videobotschaft. Konkret sieht er die Aufgabe der Kirchen darin, an den Schutz der Natur als Gottes Schöpfung zu gemahnen und zum Neuanfang aufzurufen, denn es sei „höchste Zeit, noch entschlossener zu handeln“. 

Zwei Tage lang debattierten Wissenschaftler_innen, Vertreter_innen der Evangelischen Kirche, der Landessynode und junge Erwachsene vor Ort und digital über die Rolle der Kirche im Kampf für Klimagerechtigkeit. Kann sie gar Motor für Klimagerechtigkeit sein? Studentin Julia Hofer vom Evangelischen Jugendwerk in Württemberg eröffnete die Tagung mit einem Plädoyer für eine klimagerechte und nachhaltige Zukunft, die nicht mit einer leistungsorientierten Gesellschaft vereinbar sei. Sie forderte auf zur „Fähigkeit zur Begrenzung“ und die Kirche zu einem aktiveren Handeln.

Wie die Interessen von jungen Menschen – in der Kirche – zum Tragen kommen können, damit beschäftigte sich Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der EKD, in ihrem Impuls. Für Heinrich steht fest: „Wir als Kirche müssen die Expertise, die junge Menschen einbringen, ernst nehmen und nicht nur beteiligen, weil sie jung sind. (…) Die Kirche, aber auch vor allem unsere Welt braucht „Wachmacher_innen, Beschleuniger_innen, Expert_innen“. Und wie können durch Kirche noch mehr „Wachmacher_innen entstehen? Die Kirche kann ihnen durch ihre USPs (Unique Selling Proposition) Halt geben – das Gefühl von Zuhause, die hoffnungsvolle Perspektive, der unverzagte Blick auf all die schweren Herausforderungen, die da kommen werden, wie Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit.

Dr. Ruth Gütter, Referentin für Fragen der Nachhaltigkeit der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland), gab einen Überblick über die bisherigen Aktivitäten der Kirche in puncto Nachhaltigkeit. Doch trotz diesen ist eines klar: Ein weiter so geht nicht. Es brauche eine Freiheit zur Begrenzung, eine Ethik der Selbstbegrenzung. „Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben“ lautet der Titel des Impulspapiers 130 der EKD zur Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung: Oberkirchenrat Prof. Dr. Ulrich Heckel formulierte klar den Auftrag der Kirche, aber auch jedes einzelnen, zur Bewahrung der Schöpfung und kritisierte ebenfalls die „Geiz ist geil“-Mentalität als unchristlich.

Am Sonntag wurde viel über potenzielle Rollen, Glaubwürdigkeit, Kommunikation und Sichtbarkeit diskutiert. Prof. Dr. em. Rudi Kurz, Sprecher der BUND-Arbeitskreise Wirtschaft & Finanzen und Wissenschaftspolitik (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), war bereits in den 70er Jahren bei den ersten Gesprächen zum Thema Klimaschutz in Bad Boll dabei und bemerkte kritisch, dass es zwar Fortschritte gab, diese aber nicht so seien, wie sie nach 50 Jahren sein sollten. Die Kirche als Bewahrerin der Schöpfung müsse hier klar die Position einer Vorreiterin einnehmen, die sich aktiver im gesellschaftlichen Diskurs zeigt.

Stefan Werner, Direktor im Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche in Württemberg warf einen Blick von innen auf die potenziellen Rollen der Kirche in Bezug auf die Klimagerechtigkeit und kam zu folgendem Fazit: „1. Motor sein ist eine für die Kirche verführerische Zuschreibung, die zu falschen Schwerpunktsetzungen führen kann. 2. Kirche muss bei allem berechtigten Engagement für Klimaschutz und Bewahrung der Schöpfung ihrem ureigensten Auftrag treu bleiben. 3. Wenn die Kirche dies beherzigt und aktiv daran mitwirkt, die gesellschaftliche Spaltung zu verhindern, liegen in einem entschiedenen Engagement der Kirche sowohl für die Kirche als auch für die Zivilgesellschaft im Hinblick auf die Lösung des Jahrhundertproblems Klimawandel enorme Chancen.“

Die Agrarwissenschaftlerin Sarah Graf formulierte in ihrem Impuls den Wunsch nach einer „radikaleren“ Kirche – unbequemer und hörbarer – wie Jesus im Tempel. Und sie steigerte den Begriff des „guten Lebens“ in eine „fröhliche Genügsamkeit“, welcher großen Anklang bei den Mitwirkenden fand.

In der abschließenden Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern der Landessynode Württemberg wurden viele Aspekte des Wochenendes nochmals zusammengefasst. So plädierte Michael Schradi vom Gesprächskreis „Offene Kirche“ für mehr Sichtbarkeit der auf Klimagerechtigkeit abzielenden Maßnahmen der Landeskirche. Denn schließlich trügen konkrete Aktivitäten auch zur Glaubwürdigkeit der Kirche in der Öffentlichkeit bei. „Klimaschutz ist aktive Nächstenliebe für jetzt und die kommenden Generationen“, sagte Dr. Markus Ehrmann vom Gesprächskreis „Lebendige Gemeinde“. Es müsse geprüft werden, wo Klimaschutz am effizientesten umgesetzt werden kann. Und Annette Savade, Gesprächskreis „Evangelium und Kirche“, ergänzte, dass die Kirchengemeinden dabei eine wichtige Rolle spielen und diese vor Ort unterstützt werden müssen. Beim Thema Klimagerechtigkeit müsse die gesamte Gesellschaft mitgenommen werden, brachte Ralf Walter, Gesprächskreis „Kirche für morgen“, die Beteiligten auf den Punkt.

Um dieser Tagung auch Taten folgen zu lassen, haben die Organisator_innen und Initiator_innen der Tagung einen s.g. „Bad Boller Appell“ an die Evangelische Landeskirche in Württemberg formuliert. Hierin unterbreiten sie der Landeskirche sieben Aufforderungen, wie Kirche den Weg der Transformation beschreiten und als Akteurin wirksam werden kann. Der ausführliche Appell in einer Lang- und Kurzfassung findet sich hier: www.ev-akademie-boll.de/churchesforfuture

Die Tagung fand in Kooperation mit dem Ökumenischen Netzwerk Klimagerechtigkeit, dem Umweltbeauftragten der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Württemberg, dem Evangelischen Jugendwerk in Württemberg, dem Verein zur Förderung evangelischer Schüler_innenarbeit in Württemberg e. V., der Evangelischen Jugend auf dem Lande in Württemberg, der Initiative Churches for Future sowie dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend statt.

Zur vollständigen Videobotschaft von Ministerpräsident Winfried Kretschmann https://www.ev-akademie-boll.de/nc/aktuell/artikel/kirchen-koennen-eine-grosse-gesellschaftliche-kraft-entfalten.html

Weitere Informationen zur Veranstaltung und eine Übersicht aller Referierenden finden sich unter https://www.ev-akademie-boll.de/tagung/250221.html

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