Hüppe: „Sonderschulen führen in der Regel in die Arbeitslosigkeit“

Behinderten-Beauftragter der Bundesregierung fordert bei Tagung in der Evangelischen Akademie Boll inklusives Schulsystem

Hubert Hüppe, Beauftragter der Bundesregierung für Menschen mit Behinderung. © Ev. Akademie

Bad Boll – Defizite bei der Eingliederung behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt hat Hubert Hüppe, Beauftragter der Bundesregierung für Menschen mit Behinderung, am heutigen Mittwoch bei der Tagung "Engagement braucht Wissen" in der Evangelischen Akademie Bad Boll beklagt. Mehr als 100 Schwerbehindertenvertreter aus öffentlichem Dienst und Unternehmen treffen sich dort noch bis Freitag, 14. Oktober. Sie forderten, die Abgaben für Betriebe, die keine oder nur wenige behinderte Menschen beschäftigen, drastisch zu erhöhen. Steigender Leistungsdruck führe schon jetzt dazu, dass immer mehr Menschen mit Behinderungen abgehängt würden.

"Wir brauchen langfristige finanzielle Hilfen"
 "Wir haben vor allem bei der Vermittlung Jugendlicher und älterer Menschen mit Behinderungen in Jobs Probleme", sagte Hüppe. Im September 2011 seien 174.000 Menschen mit Behinderung arbeitslos gewesen, 2008 waren es nur 163.000. Hüppe: "Diese Zahlen sind nicht so wie erhofft".  Die Arbeitslosigkeit behinderter Menschen entwickle sich vielmehr gegen den Trend am Arbeitsmarkt. Unternehmen, die behinderte Menschen beschäftigten, müssten mehr finanzielle Unterstützung bekommen. "Es reicht nicht aus, nur bei der Einstellung eine hohe Eingliederungshilfe zu zahlen, sondern es braucht langfristige Hilfen." Mit der richtigen Unterstützung könnten viele Menschen mit  Behinderungen mindestens genauso viel leisten wie andere Beschäftigte. Angesichts des Fachkräftemangels müsse dieses Potenzial genutzt werden.

Von inklusivem Schulsystem profitieren alle
Um Menschen mit Behinderung bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu eröffnen, sei darüber hinaus ein inklusives Schulsystem notwendig. Der  CDU-Politiker plädierte für gemeinsame Schulen für Behinderte und Nicht-Behinderte. Der Besuch einer Sonderschule führe in der Regel in die Arbeitslosigkeit. Außerdem könnten davon auch Schüler ohne Behinderung profitieren. "Die meisten Probleme haben behinderte Menschen doch deshalb, weil Menschen ohne Behinderung nicht wissen, wie sie mit ihnen umgehen sollen. Wer als Schüler nicht weiß, ob er einem Rollstuhlfahrer die Hand geben soll, wird ihn doch später als erwachsener Unternehmer nicht einstellen", sagte Hüppe. Teilhabe an allen Bereichen des öffentlichen Lebens sei ein Menschenrecht. "Wer diese Teilhabe behindert, sei es in der Schule oder am Arbeitsmarkt, verletzt Menschenrechte."

"Ausgleichsabgabe drastisch erhöhen"
Eine drastische Erhöhung der sogenannten Ausgleichsabgabe forderte Joachim Steck, Gesamt-Schwerbehindertenvertreter der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Derzeit gilt eine Regelung, nach der ein Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigte fünf Prozent seiner Stellen an Menschen mit Schwerbehinderung vergeben muss. Wird die Quote nicht erfüllt, fordert der Staat die Ausgleichsabgabe. "Die Bundesregierung muss diese Abgabe so deutlich erhöhen, dass sie den Unternehmen wehtut. Alle anderen Maßnahmen haben in den vergangenen Jahren keine Fortschritte gebracht", so Steck.


"Öffentlicher Dienst hat Vorbildfunktion"

Unzureichendes Engagement im öffentlichen Dienst beklagte Margreth Knoll-Kruse, Schwerbehindertenvertreterin des Kultusministeriums Baden-Württemberg. "Der öffentliche Dienst hat eine Vorbildfunktion, aber zum Beispiel unser Haus erfüllt so gerade die Pflichtquote", so Knoll-Kruse. Sie plädierte wie Steck dafür, Unternehmen und Verwaltungen dazu verpflichten, wieder mehr als die derzeit geforderten fünf Prozent Schwerbehinderter zu beschäftigen.
Wachsender Leistungsdruck
Ein gravierender Wandel am Arbeitsmarkt bereitet vor allem Schwerbehindertenvertretern großer Unternehmen Sorgen. Die Kehrseite flexibler Arbeitszeiten: Arbeitgeber erwarteten ständige Erreichbarkeit, der Leistungsdruck steige. "Maß ist nicht mehr die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit, sondern die erwartete Leistung. Unter diesem erhöhten Druck brechen zunächst Menschen mit Behinderung zusammen, aber als nächstes dann die übrigen Kollegen", sagte Monika Hannig, Schwerbehindertenvertreterin im IBM-Konzern. Psychische Erkrankungen seien häufig die Folge.
Die Veranstalter
Die Tagung "Engagement braucht Wissen" veranstaltet die Evangelische Akademie Bad Boll gemeinsam mit dem Kommunalverband Jugend und Soziales Baden-Württemberg, dem Sozialverband VdK Baden-Württemberg und dem Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA). Sie richtet sich an Schwerbehindertenvertretungen und findet seit mehr als 20 Jahren an der Evangelischen Akademie Bad Boll statt.
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