Sparpolitik oder mehr Investitionen in der EU

Minister Nils Schmid, EZB-Direktor Yves Mersch, Bischof Frank Otfried July und Dr. Sabine Reiner (ver.di) diskutieren in Bad Boll über die Zukunft der europäischen Wirtschaft

© Dieter Heidtmann

Auf dem 2. Bad Boller Wirtschaftsgespräch haben Minister Nils Schmid und der luxemburgische EZB-Direktor Yves Mersch ihre Vorstellungen zur europäischen Wirtschaftspolitik präsentiert. Dabei wurden deutliche Unterschiede in den Erwartungen an die Wirtschaftspolitik der EU sichtbar. Der württembergische Landesbischof Frank Otfried July und die Gewerkschafterin Dr. Sabine Reiner forderten eine stärkere Werteorientierung und mehr soziale Verantwortung in der Wirtschaftspolitik.

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Der baden-württembergische Finanz- und Wirtschaftsminister Schmid sprach sich für ein europäisches Modell der Sozialen Marktwirtschaft aus.

"Während wir uns in Deutschland klar zur Sozialen Marktwirtschaft bekennen, haben wir es versäumt, die Soziale Marktwirtschaft als festen Rahmen für die EU zu verankern. Dabei brauchen wir diesen Rahmen dringend, um weitere entschlossene Schritte in Richtung einer echten Fiskal- und Wirtschaftsunion zu gehen."

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Yves Mersch, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, warnte davor, den Stabilitätskurs in der Europäischen Union aufzugeben. Er setzte damit deutlich andere Akzente als der neu gewählte Kommissionspräsident Jean Claude Juncker, der sich bei seiner Bewerbungsrede im Europäischen Parlament für mehr öffentliche Investitionen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ausgesprochen hatte.

 „So notwendig wachstumsfördernde Strukturreformen und öffentliche Investitionen sind; sie dürfen nicht gegen halbherzige Haushaltskonsolidierung und noch höhere Staatsschulden eingetauscht werden.
„Ich sehe also keinen Grund, den Stabilitätspakt aufzuweichen. Sinnvoller wäre es, Ausgaben der öffentlichen Hand dort zu kürzen, wo sie keinen Mehrwert generieren, statt die Tragfähigkeit öffentlicher Finanzen weiter zu strapazieren. Auf Kosten künftiger Generationen mehr Schulden anzuhäufen, wäre auch nicht im Sinne einer europäischen sozialen Marktwirtschaft.“

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Landesbischof Frank Otfried July forderte eine stärke Werteorientierung in der Wirtschaft.
 
„Das Grundkonzept der Sozialen Marktwirtschaft wurde 1943 vom „Freiburger Kreis“ im Auftrag der Bekennenden Kirche entwickelt. Die Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft waren von Anfang an mit christlichen Wertegrundsätzen eng verknüpft. Heute gilt die Soziale Marktwirtschaft als Erfolgsmodell für eine wirtschaftlich erfolgreiche und sozial verantwortliche Wirtschaftsordnung. Deswegen hat die evangelische Kirche auch im Bereich der Wirtschaftsethik Stellung zu nehmen und dafür zu sorgen, dass „Sozial“ und „Wirtschaft“ immer noch in gleich großen Buchstaben geschrieben werden. Gerade im Hinblick auf die Globalisierungsherausforderungen sollten die deutschen Erfahrungen ins weltweite Wirtschaftsgespräch eingebracht werden.“

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Dr. Sabine Reiner, Volkswirtin  im Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di warnte vor den politischen Konsequenzen einer falschen Wirtschafts- und Sozialpolitik.


„Der Erfolg europakritischer Parteien bei der Europawahl hat gezeigt, dass viele Menschen kein Vertrauen mehr in die bisherige Politik haben. Die wirtschaftliche Erholung ist in großen Teilen der EU so schwach, dass insbesondere jungen Leuten eine Zukunftsperspektive fehlt. Die bisherige Strategie gegen die Krise sollte mit harter Sparpolitik und Druck auf Arbeitnehmerrechte in erster Linie Marktwirtschaft und Wettbewerb stärken. Ohne politischen Kurswechsel wird in vielen Ländern für lange Zeit die Erwerbslosigkeit hoch, das Niveau von Einkommen und sozialem Schutz niedrig bleiben und könnten noch weitere Vertrauensverluste die Folge sein.“

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Das Bad Boller Wirtschaftsgespräch ist ein Forum für wirtschaftsethische Grundsatzfragen. Veranstalter ist die Evangelische Akademie Bad Boll in Kooperation mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden Württemberg.


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Portraitbilder zum Downloaden:

  • Yves Mersch - Direktorium der Europäischen Zentralbank (Copyright EZB), Frankfurt a. M./Luxembourg
  • Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July (Copyright EMH/ Gottfried Stoppel)
  • Dr. Nils Schmid MdL - Stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Finanzen und Wirtschaft in Baden-Württemberg (Copryright Evangelische Akademie Bad Boll/Martina Waiblinger)
  • Dr. Sabine Reiner - ver.di-Bundesvorstand (Copyright ver.di)
  • Podium (v. li. n. re.): Dr. Sabine Reiner, Dr. Nils Schmid, Yves Mersch, Dr. h.c. Frank Otfried July, Dr. Dieter Heidtmann (Evangelische Akademie Bad Boll) und Dagmar Bürkardt (Evangelische Akademie Bad Boll)

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