Wahl zur Landessynode: ­Perspektiven für die Akademie

Wenn am 11. November die Landessynode gewählt wird, geht es auch um die Vorgaben der Akademie-Arbeit. Eine Umfrage unter den landeskirchlichen Gruppierungen.

In wenigen Wochen, am 11. November, sind rund 1,9 Millionen evangelische Württemberger aufgerufen, eine neue Landessynode mit 90 Vertretern zu wählen. Die Synode entscheidet über die Gesetze der Landeskirche und den Haushalt, und insofern auch über die Vorgaben, in denen die Evangelische Akademie Bad Boll ihre Arbeit entwickeln kann. Im Vorfeld der Wahlen haben wir deshalb Repräsentanten der Gruppierungen in der Landeskirche gefragt: »Welche Aufgabe sollte Ihrer Meinung nach die Evangelische Akademie Bad Boll als Einrichtung der Landeskirche in der Gesellschaft wahrnehmen? Welche Spielräume und welche Ressourcen sollten ihr dabei zur Verfügung stehen?« Folgende Antworten haben wir bis Redaktionsschluss erhalten:

Dr. Richard Mössinger (Evangelium und Kirche)

In der Ordnung der Evangelischen Akademie aus dem Jahr 1983 heißt es: »Die Evangelische Akademie Bad Boll ist eine Einrichtung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, die im Auftrag der Landeskirche nach Maßgabe dieser Ordnung selbstständig arbeitet.« Diese Schwabenformel (»im Auftrag« und »selbstständig«) hat dazu beigetragen, dass die Akademie bei der Auswahl Ihrer Themenschwerpunkte und der Referentinnen und Referenten weitgehend frei und unbeeinflusst »Fragen des öffentlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens in Staat, Gesellschaft und Kirche sowie Fragen des beruflichen und persönlichen Lebens des einzelnen in das Licht des Evangeliums« (§ 2 der Ordnung) rücken konnte. Dieser Freiraum ist uns wichtig.

Wir wissen, dass sich die Evangelische Akademie mit ihrer Arbeit um eine evangelische Spiritualität als »Gemeinde auf Zeit« bemüht und damit Einzelnen und Gruppen die Auseinandersetzung mit Glaubensfragen ermöglicht. Das wollen wir weiter fördern und erhalten.

Unsere Landeskirche und die Kirchengemeinden werden künftig verstärkt Gesprächspositionen aus den verschiedenen Gruppen, Organisationen und Institutionen in Staat und Gesellschaft wahrnehmen und daraus Schlussfolgerungen für ihr eigenes kirchliches und diakonisches Engagement ziehen müssen, insbesondere wenn es sich dabei um Fragen von christlichen Lebensformen, der besseren Gestaltung des gemeinsamen Lebens, die Diskussion von Zukunftsfragen und die Würde des Lebens handelt.

Wir wünschen uns, dass die Evangelische Akademie sich in diesen Fragen nicht in einem »Elfenbeinturm« bewegt, sondern mit ihrer qualitativ hochwertigen Arbeit weiterhin eine Nähe zu den Kirchengemeinden und allen Strömungen innerhalb der Landeskirche sucht und deren Themen und Anliegen stellvertretend aufgreift.

Die Verzögerungen bei der Sanierung des Südflügels durch den Oberkirchenrat hat der Gesprächskreis Evangelium und Kirche deutlich kritisiert.

Friedemann Stöffler (Kirche für morgen)

»Kirche für morgen« fühlt sich Bad Boll und der Evange¬lischen Akademie vom Anliegen her eng verbunden. Das Erbe der beiden Blumhardts, ihre Sehnsucht nach einer neuen Manifestation des Reiches Gottes mitten unter den Menschen ist auch für uns Herausforderung und Auftrag. Ebenso sehen wir gemeinsame Wurzeln in der »Laien«bewegung, die am Anfang von Boll steht und das Evangelium in die moderne Gesellschaft hineintragen will. Dass dazu auch innerhalb der Kirche eine »Bekehrung der Strukturen« nötig ist, liegt für uns auf der Hand. Nur »die Gemeinden stärken« ist zu wenig, insbesondere dann, wenn damit nur die traditionellen Parochien gemeint sind.

Bad Boll als erster deutscher Evangelischer Akademie und als größter in Europa kommt besondere Bedeutung zu. Es gilt dabei Kirche in der Zivilgesellschaft neu zu denken und das Zeugnis des Evangeliums in jedem Themen- und Lebensbereich aufleuchten zu lassen, z.B. auch durch neue Lebenswelt- und Profilgemeinden. Um es mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Huber zu sagen: »Wo evangelisch draufsteht, muss Evangelium erfahrbar sein«. Wir wünschen uns in diesem Sinn eine Profilierung der Akademiearbeit, um »die Kirche zu einer neuen Begegnung mit den ihr fern stehenden Menschen, ihrer Welt, ihren Nöten und ihren Fragen zu bringen« (Eberhard Müller). Bad Boll könnte so zum Vernetzungszentrum werden für all die, die gemeinsam darum ringen, die Kirche so zu reformieren, dass sie als Kirche der Freiheit evangeliumsgemäße Strukturen entwickelt und in alle gesellschaftlichen Milieus hinein wirkt. Eine solche Akademie kann mit unserer vollen Unterstützung rechnen.

Volker Teich (Lebendige Gemeinde)

Die Aufgaben der Evangelischen Akademie Bad Boll sind in der Ordnung der Evangelischen Akademie klar beschrieben. Dort heißt es: »Sie soll Fragen des öffentlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens .... in das Licht des Evangeliums rücken. Auf Grund des christlichen Glaubens versucht sie, einen Beitrag zu leisten zum geistigen und geistlichen Aufbau unseres Volkes.« Als Gesprächskreis »Lebendige Gemeinde« stehen wir hinter dieser Aufgabenstellung. Wir wünschen uns eine Akademie, die genau dieser Aufgabe nachkommt: Fragen unserer Zeit in das Licht des Evange¬liums zu rücken. Der christliche Glaube soll Grund und Ausgangspunkt des Denkens sein. So ist sie eine evange¬lische Akademie. Dies kann nicht theologisch einseitig geschehen, deshalb wünschen wir der Evangelischen Akademie eine größere Breite. Die Evangelische Akademie hat in ihrem Logo die Brücke. Sie will Brücke in die Gesellschaft hinein sein. Diese Brücke wirkt glaubwürdiger, wenn sie innerhalb der Landeskirche auf mehreren Pfeilern ruht.

Der Evangelischen Akademie wurde in der letzten Legislaturperiode ein großes Sparprogramm auferlegt. Die Leitung der Akademie kam bei der Umsetzung dieses Programms der Forderung von Synode und Oberkirchenrat in vorbildlicher Weise nach. Sie ist immer noch in der personellen Besetzung die größte Akademie innerhalb der EKD. Auch wenn der Gesprächskreis »Lebendige Gemeinde« den Schwerpunkt kirchlicher Arbeit in der Gemeinde vor Ort sieht – »Kirche ist, wo Gemeinde lebt« – hält er an der volkskirchlichen Aufgabe einer Akademie fest.

Um im Konzert der Evangelischen Akademien innerhalb der EKD nicht ins Hintertreffen zu kommen, wird zu fragen sein, ob Kooperationen mit Baden und Bayern – Herrenalb und Tutzing – nicht an der Zeit sind.

Rainer Weitzel (Offene Kirche)

Die Evangelische Akademie Bad Boll ist für uns der wichtigste »Vorposten« der Kirche in der Gesellschaft. Sie soll das Gespräch zwischen der Kirche und unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, auch den »Gebildeten unter den Verächtern« sicherstellen. Dabei soll sie kirchliche Positionen in gesellschaftliche Debatten vermitteln, aber auch in die innerkirchlichen Diskurse Fragen und Positionen aus der Gesellschaft einspeisen.

Um diese Diskussionsplattform zu sein, muss die Akademie weit offen sein für Menschen unterschiedlichster weltanschaulicher Standpunkte, Religionszugehörigkeiten und gesellschaftlicher Positionen. Die Themen müssen breit angelegt sein, und es darf keine Denkverbote geben. Dabei geschieht diese Arbeit nicht »neutral«, sondern mit der Parteilichkeit der Liebe Gottes zur ganzen Schöpfung. Der Diskurs ist deshalb nicht ziellos, sondern dient der Schaffung einer gerechten, friedlichen und mit der Schöpfung verantwortlich umgehenden Welt.

Für diese schwierige, verantwortungsvolle Aufgabe muss die Evangelische Akademie mit allen notwendigen Ressourcen ausgestattet werden. Hier zu sparen kommt einem Rückzug in die binnenkirchliche Nische gleich und läuft dem Auftrag der Kirche zuwider.

Vor allem muss der Akademie Vertrauen und Wertschätzung durch die Kirche entgegengebracht werden.

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