Die Schule ist wieder auf

Über die ersten Tage nach dem Lockdown an einer württembergischen Schule

Seit Montag nach den Pfingstferien strömen die Schülerinnen und Schüler der Klassen 5-10 wieder in die Schule. Die Hälfte jedenfalls. Nach 13 Wochen Homeschooling, inklusive Pfingst- und Osterferien. Eine lange Zeit!

War es noch am Montag, den 16. März 2020, dem letzten Schultag vor den Schulschließungen fast unmöglich, die Abstandsregeln durchzusetzen, hat sich die Haltung der Schülerinnen und Schüler sehr verändert. Am Schuleingang wird selbstverständlich eine Maske aufgesetzt, die im Klassenzimmer am eigenen festen Platz abgenommen werden darf.

Wegweiser leiten in Einbahnstraßen durchs Schulhaus. An den Wänden stehen mit roten Bändern abgesperrte Stühle, da statt den rund 1600 Schülern nur noch die Hälfte gleichzeitig in die Schule kommen. Die andere Hälfte kommt wochenweise abwechselnd ins Haus.

Nun sind Pädagoginnen und Pädagogen gefragt, die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler in der Zeit des Lockdowns zu den Lernstoffen in Beziehung zu setzen.

Spannend, wie viele von eigenen Projekten, die sie in der Corona-Zeit verwirklicht haben, berichten:

Schülerinnen und Schüler einer 10. Gymnasialklasse einer Tübinger Schule erzählen, dass sie ihr Zimmer nach eigenen Vorstellungen umgestaltet und "ausgemistet" haben. Zwei haben ein Sportprogramm verfolgt und ein Schüler hat mit 15 Radtouren das Fahrradfahren für sich neu entdeckt. Wohlschmeckende Muffins wurden gebacken, vom beruhigenden Säen und Pflegen von Kräutern, Gemüse und Blumen wurde berichtet, ein Schuppen und ein Hochbeet gebaut, der Garten der Nachbarn mitversorgt. Auch wurde geschildert, dass sich die Verbundenheit mit der Familie in dieser Zeit vertieft hat. Es wurde telefoniert und die modernen Kommunikationsmittel mehr genutzt als bisher. Manche Eltern arbeiteten mehr als sonst, andere hatten mehr Zeit. Allerdings waren auch schwierige Streitigkeiten und Familienauseinandersetzungen zu bestehen und auch mit einem Todesfall musste umgegangen werden.

„Und freut Ihr Euch auf die Schule?“ Während die Schülerinnen und Schüler einer 5. Klasse die Frage überwiegend bejahten, war die Begeisterung bei einer 10. Klasse eher verhalten – vielleicht liegt das am Alter.

Sehr unterschiedlich wurde das Homeschooling in verschiedenen Schulen, von den Familien und den Schülerinnen und Schülern umgesetzt. Tatsächlich fehlen den Schülerinnen und Schülern ganze Bildungseinheiten, die in dieser Form nicht zu unterrichten waren. Neben der "Entrümpelung" der Lerninhalte wird es nun darauf ankommen, genau hinzuschauen, was uns da eigentlich persönlich und als Weltgemeinschaft passiert ist. Wie können wir das Erlebte bewerten und einordnen, um Strategien für die Zukunft daraus zu entwickeln?

Ein Schlüssel könnte sein, dafür in den kommenden Wochen im Unterricht aktiv Raum zu schaffen, um die Schätze zu heben, die in dieser Zeit verborgen liegen. Es lohnt sich, genau hinzuschauen: Welche Stärken und Ressourcen zeigen sich in kleinen gelingenden Situationen in schwieriger Zeit. Stärken wie Gestaltungswille, Geduld, Ausdauer, Liebe, die Fähigkeit, sich auf Beziehungen einzulassen, für andere zu sorgen oder sich selbst in schmerzhaften Situationen beruhigen zu können, werden sichtbar. Und diese Stärken und Fähigkeiten bilden die Basis zur Gestaltung unserer Welt.

Und was heißt das für die Bildungspolitik?

Die Verantwortlichen haben nun Zeit, bis zur nächsten Corona-Welle ihre "Hausaufgaben zu machen": eine verlässliche und bedienungsfreundliche Lernplattform für alle Schulen bereitzustellen, Schülerinnen und Schüler bei Bedarf mit digitalen Endgeräten auszustatten, Lehrerinnen und Lehrer digitalen Support bereitzustellen und datenschutzkonforme Rahmenbedingungen für Videokonferenzen zu entwickeln.   

Wichtig ist es, aus den unterschiedlichen "aus dem Boden gestampften" Konzepten der verschiedenen Schulen zu lernen, was gut geklappt hat und sich dieses Knowhow gegenseitig zur Verfügung zu stellen.

So wie im persönlichen sind auch im bildungspolitischen Bereich Gelingens-Faktoren und Stärken in den Blick zu nehmen, damit der aus der Not geborene Quantensprung in digitalen und nichtdigitalen Projekten weiterentwickelt werden kann.

Claudia Schmengler ist Studienleiterin für Bildungspolitik und Pädagogik an der Evangelischen Akademie Bad Boll und Oberstudienrätin an der Geschwister-Scholl-Schule in Tübingen.

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