Rüstungsexporte aus Deutschland – Wie steht die Kirche dazu?

Kiflemariam Gebrewold leitet seit 1.1.2016 das Projekt „Rüstungsexport und Rüstungskonversion“ in der Badischen Landeskirche. Martina Waiblinger hat ihn dazu befragt – ein Beitrag in SYM 3-2019.

Kriege erzeugen Flüchtlinge - hier ein syrisches Flüchtlingskind im Libanon.

Martina Waiblinger: Was ist das Hauptanliegen des Projekts »Rüstungsexport und Rüstungskonversion«?

Kiflemariam Gebrewold: Es geht darum, Ideen und Fakten für den friedensethischen Prozess, vor allem im Bereich Rüstungsexporte beizusteuern. Im Rahmen einer Studie haben wir Munitionsexporte erforschen lassen – ein sicherheitspolitisches Sachgebiet, das bisher unterbelichtet war. Ohne Munition funktioniert keine Waffe. Das ist das Schmiermittel, mit dem Waffen erst funktionsfähig gemacht werden. Die Rüstungsindustrie verdient am meisten an Verbrauchsgütern wie Munition und an der Wartung von Waffen und Waffensystemen.

Wichtig ist uns, den Menschen klarzumachen, dass es sich nicht um illegale Waffenhändler handelt, sondern dass es Staaten sind, die Waffen exportieren und importieren. Der Export wird von der Bundesregierung genehmigt – das ist offiziell und legal. Damit liegt die politische Verantwortung – auch für die Toten – bei der Bundesregierung.

In den politischen Grundsätzen von 2000 steht, dass Waffen nicht in Krisengebiete geliefert werden dürfen.

Ja, offiziell steht das drin. Die Grundsätze sind zwar rechtlich nicht bindend, aber politisch schon. Es ist dieselbe Bundesregierung, die sagt, dass sie Waffen nicht in Länder exportieren möchte, in denen Krieg oder Bürgerkrieg besteht oder in denen Menschenrechtsverletzungen auftauchen. Trotzdem findet man in fast allen Konflikten dieser Welt deutsche Waffen. Das war in vielen Kirchengemeinden nicht klar. Alle dachten, man exportiert an die Bündnispartner oder die NATO. Fakt ist, dass man weltweit exportiert.

Die Argumentation lautet: Wenn befreundete Staaten Waffen importieren wollen, kann man das aus strategischen Gründen nicht verbieten. Oft sind es potente Staaten, die auch viele zivile Güter und Dienstleistungen aus Deutschland importieren. Immer häufiger wird von Ankerstaaten gesprochen. Saudi-Arabien, das vor wenigen Jahren noch als sehr problematischer Staat angesehen wurde, ist zu einem Ankerstaat avanciert – zu einem Staat, der gestaltend in der Region eingreift und dadurch – so das vermeintliche Argument – auch für die Sicherheit Deutschlands sorgt.

Und das nach dem Fall Khashoggi?

Man redet nicht mehr darüber. Es gab einen temporären Waffenlieferungs-Stopp, der inzwischen wahrscheinlich wieder aufgehoben ist. Fakt ist, dass Saudi-Arabien kein Problem hat, Waffen aus deutscher Produktion oder direkt aus Deutschland zu bekommen und im Jemenkrieg einzusetzen.

Ist es nicht widersprüchlich, dass Deutschland Waffen in Länder exportiert, in denen sich die Bundesregierung mit Friedensmaßnahmen engagiert?

Da wird die Absurdität auf die Spitze getrieben. Das wurde letztes Jahr bei einer Tagung in der Akademie in Bad Herrenalb thematisiert: In den MENA-Staaten (Mittlerer Osten, Nordafrika), den Staaten vom Irak bis Marokko und vom Sudan bis Katar, gibt es überall deutsche Waffen. Die ganze Region ist politisch instabil und bezüglich der Menschenrechtslage ist es sehr schlecht bestellt. Hier versucht man diplomatisch mit Friedensmaßnahmen etwas zu erreichen und parallel dazu liefert man Waffen.

Sind die badischen Gemeinden bezüglich des Themas sensibilisiert?

Die Leute wissen heute, dass in Baden eine Reihe von rüstungsnahen Betrieben existiert. Sie verstehen auch, dass zwischen Geflüchteten und Rüstungsexporten ein Zusammenhang besteht. Die, die mit Geflüchteten arbeiten, erfahren, dass viele ihr Land verlassen mussten, weil dort eben jemand bewaffnet war. Ferner ist inzwischen bekannt, dass viele Entwicklungshilfeprojekte durch bewaffnete Auseinandersetzungen zerstört werden.

Daraus entwickeln sich auch Aktionen: Zum Beispiel haben 2017 Kirchengemeinden, Friedensgruppen, Parteien u.a. in Lahr zum Protest gegen die Ansiedlung einer Munitionsfabrik aufgerufen und der Gemeinderat hat mit 20 zu 13 Stimmen dagegen gestimmt. Vielleicht ist der Protest auch auf den Rüstungsatlas Baden zurückzuführen, den wir herausgegeben haben.

Was ist an der Rüstungsproduktion so attraktiv? Wie steht es um das Thema Konversion?

Es gibt kaum einen Zweig in der Wirtschaft, der so subventioniert wird wie die Rüstungsindustrie. Der Staat ist Auftraggeber, er gibt Geld für die Forschung und die Erprobung und er nimmt die Ware, die Waffen, ab. Der Unternehmer muss keine Kunden suchen und hat eine Abnahmegarantie – welcher Wursthersteller hat das schon? Die Leute in den Gemeinden fragen aber: »Warum stellen die nicht bessere, intelligentere zivile Güter her?« Natürlich müssen Märkte erst geschaffen werden und dazu braucht es langfristige Investitionen. Auf diesem Weg muss man die Arbeitnehmerschaft mitnehmen – sie haben Angst ihre Arbeitsplätze zu verlieren. Es wäre aber möglich, und die erfolgreichen Start-Ups zeigen, dass Geschäftsideen, die vor fünf oder zehn Jahren undenkbar waren, heute Realität sind.

Wem schadet die Rüstungsindustrie?

Langfristig ist klar, dass die Rüstungsindustrie der zivilen Industrie schadet. Viele Rüstungsindustrien exportieren zum Beispiel in den Nahen Osten – da gibt es schon lange zu viele Waffen. Und Waffen, die exportiert werden, kommen meist zum Einsatz. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann es zu einem apokalyptischen Großeinsatz kommt. Wenn der Nahe Osten explodiert, wird dem ganzen zivilen Handel, der ungleich größer und wichtiger ist, der Boden entzogen. Eine kaputte Region ist nicht in der Lage, zivile Güter einzuführen.

Ist der politische Einfluss der Kirchen stark genug, um etwas zu verändern?  

Wir müssen endlich systematisch und verstärkt eine Allianz zwischen Entwicklungspolitik, Sicherheitspolitik und Umweltpolitik schmieden. Erst wenn diese drei Bereiche zusammengedacht werden, kann man ein Gesamtbild erkennen. Die Kirchen haben die moralische Autorität, etwas vorzuleben und einzufordern. Der Erfolg wird davon abhängen, wie stark sich die Kirchen selbst positionieren und ob sie ökumenisch vorgehen. Der Papst hat sich eindeutig gegen Krieg und Rüstungsproduktion positioniert. Ich würde mir wünschen, dass die verschiedenen religiösen Gemeinschaften gemeinsam vorangehen. Erst dann wird die Botschaft politisches Gewicht bekommen.

Ein Problem haben die Kirchen allerdings: Auch sie investieren in Portfolios, in denen Rüstungsgüter oder dual-use vorhanden sind. Das nimmt ihnen die Glaubwürdigkeit. Dabei gibt es heute Alternativen. Es gibt Portfolios, die »Social Responsible Investment« oder »rüstungsfern« anbieten. Diesen Schritt müssen die Kirchen machen. Sie haben ein großes Investitionsvolumen, das für alternative Investitionen genutzt werden muss – im Mobilitätsbereich, im Umweltbereich oder bei den erneuerbaren Energien. Dann ist die Kirche glaubwürdig und wird nicht weiterhin Mitglieder verlieren. So kann sie Zeichen setzen und mit ihrem Investitionsgebaren auch noch Friedenspolitik betreiben.

Kiflemariam Gebrewold leitet seit 1.1.2016 das Projekt »Rüstungsexport und Rüstungskonversion«. Davor war er ca. 20 Jahre in der praktischen Entwicklungshilfe im Ausland tätig und hat die Wirkung von Waffenexporten auf die Entwicklung des globalen Südens gesehen. Die Badische Landeskirche startete im Frühjahr 2012 einen Diskussionsprozess zu einer Neuorientierung der Friedensethik, der in einen friedensethischen Beschluss der Herbstsynode 2013 mündete. Dieser bildet die Grundlage für weitere friedensethische Bemühungen der Landeskirche. Kiflemariam Gebrewold: »Das ist das Interessante bei dem badischen friedensethischen Prozess: Er wurde nicht von oben, von der Synode beschlossen. Davor gab es einen zweijährigen Prozess, durch den die Kirchenbezirke sensibilisiert wurden. Jeder Kirchenbezirk musste eine Stellungnahme zu dem friedenspolitischen Papier der Landeskirche abgeben. Die überwiegende Mehrheit hat sich positioniert.«

Siehe auch: www.kirche-des-friedens.de

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